Zwiespältige Mietenentwicklung in Schleswig-Holstein Leerstände zeigen Wirkung
Kiel, den 17.11.1999
Zwiespältige Mietenentwicklung in Schleswig-Holstein
Leerstände zeigen Wirkung
Immer wieder wird von interessierter Seite behauptet, die „Mieten“ im Lande sänken. Tatsächlich wird dies durch die jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamtes zur Mietenentwicklung widerlegt. Der Sachverhalt liegt sehr viel differenzierter. Danach ist es in der Tat so, dass die Mieten im öffentlich geförderten Mietwohnungsneubau bei einer Steigerungsrate von Null Prozent stagnieren.
Von einem Sinken der absoluten Mieten kann in diesem Bereich allerdings keine Rede sein. Ähnlich sieht es bei den durchschnittlich ausgestatteten Neubauwohnungen aus. Deren Steigerungsrate liegt mit knapp unter 1 Prozent nur geringfügig über denen der Lebenshaltungskosten. Die durchschnittlich ausgestatteten Altbauwohnungen jedoch weisen immer noch eine Steigerungsrate von deutlich über 2 Prozent aus. Diese spiegelt damit eine Tendenz wider, die bereits aus den Mietspiegeln im Lande bekannt ist. Der besser ausgestattete Wohnungsbestand gibt nach, die einfacheren Wohnungen ziehen immer noch überproportional an (siehe Grafik).
Konkret bedeutet dies, dass die Forderung nach einer Mieterhöhung keineswegs der Vergangenheit angehört, sondern sich im Wesentlichen auf die einfacheren Wohnungsbestände konzentriert. Zeitgleich führt aber der Leerstandsdruck dazu, dass die besser ausgestatteten und neueren Wohnungen und ein großer Teil der überteuerten Sozialwohnungen im Mietgefüge nachgeben. Dies geht so weit, dass einzelne Vermieter – darunter auch Großanbieter – Mietsenkungen im Bestand durchführen und für die Neuvermietung attraktive Angebote unterbreiten, z.B. die Aktion „Schnupperwohnen“ mit 1 bis 3 Monaten Mietfreiheit bei Neuabschluss. Wieder andere sprechen Mieter, die gekündigt haben, ganz gezielt an und bieten ihnen temporär oder auf Dauer Mietsenkungen an.
Die Mieterorganisation empfiehlt daher, nicht nur beim Neuabschluss, sondern auch im bestehenden Mietverhältnis die Miethöhe kritisch zu überprüfen, z.B. durch einen Blick in den örtlichen Mietspiegel. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der bislang die Vermieterseite Mieterhöhungen gefordert hat, lohnt es sich über Mietsenkungen zu verhandeln. Im Einzelfall kann es auch lohnend sein, einen Umzug ernsthaft ins Auge zu fassen, wenn man Mietsenkungspielräume realisieren will. Manch ein Vermieter wird mit sich reden lassen, ehe er einen langjährigen Mieter verliert, dessen Vertragstreue er zu schätzen weiß.
Bei alledem liegen genaue Zahlen über die Wohnungsleerstände nicht vor und hält sich die Wohnungswirtschaft mit der Veröffentlichung dieser Zahlen erkennbar zurück. Nach Schätzungen des Landesmieterbundes dürften landesweit zurzeit bis zu 10 Tausend Wohnungen länger als 3 Monate leerstehen, entsprechend ca. 0,8 Prozent des Wohnungsbestandes. Damit ist erstmalig ein Zustand erreicht, der es ansatzweise rechtfertigt, von einem „Wohnungsmarkt“ zu sprechen mit Auswahl- und Ausweichmöglichkeiten für die Mieterseite. Erst ein Wohnungsüberhang von bis zu 3 Prozent übt einen gesunden Konkurrenzdruck auf die Anbieterseite aus und könnte – wenn er denn länger anhält – auch dazu führen, dass im einfacheren Marktsegment der stetige Mietenanstieg unterbunden wird.
Ob der jetzige Zustand von Dauer ist steht jedoch dahin; die Maklerverbände prognostizieren schon seit längerem einen Mietenanstieg, den sie aus den bei ihnen getätigten Neuabschlüssen ableiten. Dass dies nur eine Frage der Zeit ist zeigt die Statistik Baugenehmigungen. So wurden nach Angaben des Statistischen Landesamtes in den ersten 9 Monaten des Jahres 1999 mit 14.100 Wohnungen ca. 10 Prozent weniger Baugenehmigungen erteilt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Nach wie vor ist der Geschosswohnungsbau hauptursächlich dafür. Das Minus liegt hier bei 26 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, während bei den Eigenheimen insgesamt noch ein Plus von 3 Prozent erzielt wurde. Wenn die Neubautätigkeit wegbricht wird der Leerstand erwartungsgemäß in Windeseile absorbiert und kehrt – so steht zu befürchten – die Mangellage als Normalzustand wieder zurück. Ein Grund mehr Mietsenkungsspielräume jetzt zu realisieren.
Nähere Auskünfte erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Deren Sprechzeiten und Aufnahmebedingungen können bei der Landesgeschäftsstelle des Mieterbundes Schleswig-Holstein, Eggerstedtstr. 1, 24103 Kiel, Telefon 0431/97919-0 erfragt werden.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel