Wohnungsmarkt im Umbruch – Verhandeln lohnt sich

Kiel, den 22.10.1998

Wohnungsmarkt im Umbruch – Verhandeln lohnt sich

Alle Spatzen pfeifen es von den Dächern: In weiten Teilen unseres Landes verstärken sich die Entspannungstendenzen auf dem Wohnungsmarkt. Zwar ist hiervon zunächst nur das obere Marktsegment betroffen, gleichwohl eröffnet diese Situation für viele Mieterhaushalte völlig neue Möglichkeiten.

Allenthalben beobachten die Mietervereine im Lande, daß Vermieter im teureren Preissegment intensiv darum bemüht sind, ihre Mieter zu halten und auch zu Zugeständnissen bereit sind, wenn Wohnungsleerstand droht. Dies äußert sich auf vielfältige Weise; ein Vermieter in Norderstedt beispielsweise hat seine Mieter unaufgefordert angeschrieben und eine Mietsenkung angeboten. Ein großes Kieler Wohnungsunternehmen bietet „Schnupperwohnen“ an mit einem Monat Mietfreiheit bei Neuanmietung. Wieder andere sprechen Mieter, die gekündigt haben, ganz gezielt an und bieten ihnen temporär oder auf Dauer Mietsenkungen an. Ganz allgemein gilt: Insbesondere die Großvermieter geben sich zunehmend konzilianter, kostenbewußter und legen gesteigerten Wert auf Wohnumfeldverbesserungen.

Bezogen auf das obere Marktsegment ist daher erstmals seit langem wieder eine Situation zu verzeichnen, in der sich die Kräfteverhältnisse zwischen Mietern und Vermietern auszugleichen beginnen.

Die Mietervereine im Lande empfehlen daher, die Chancen der neuen Marktsituation genauso selbstbewußt wahrzunehmen, wie dies bei anderen Geschäften auch geschieht. Selbst im Rahmen bestehender Mietverhältnisse lohnt es sich einen Blick in die örtlichen Mietspiegel zu werfen und nach vergleichbarem Wohnraum Ausschau zu halten, wenn die bisherige Bleibe zu teuer ist. Manch ein Vermieter wird bereit sein, über die Miethöhe mit sich verhandeln zu lassen, wenn er ansonsten Gefahr läuft, einen guten Mieter zu verlieren. Das mit Abstand sicherste Instrument, den Wert einer Wohnung richtig einzuschätzen, ist dabei stets – soweit vorhanden – der örtliche Mietspiegel. Diese Mietspiegel wirken häufig weit ins Umland hinein, teilweise allerdings mit deutlichen Abschlägen. Dort, wo weit und breit keine Mietspiegel vorhanden sind, ist indessen größere Vorsicht geboten; das Wohnungsangebot in Tageszeitungen und Anzeigenblättern spiegelt den Wohnungsmarkt nur sehr unzulänglich wider. Viele Vermieter „tasten“ sich von oben an die erzielbare Miete heran. Häufig werden bei den konkreten Vertragsverhandlungen wesentlich günstigere Bedingungen vereinbart, als dies in der Zeitung zunächst inseriert war. Wer sich aussschließlich an den Zeitungsangeboten orientiert läuft Gefahr, zuviel zu zahlen.

Die sonnigen Zeiten haben aber auch eine Schattenseite; Mieter, die vor drei bis vier Jahren Zeitmietverträge mit vergleichsweise hohen Mieten abgeschlossen haben, sehen sich vor kaum lösbare Probleme gestellt, wenn sie jetzt kurzfristig aus ihren Verträgen ausscheiden müssen, z.B. weil die Wohnung wegen Familienzuwachses zu klein geworden ist, oder ein Wohnungswechsel wegen eines neuen Arbeitsplatzes erforderlich wird. Zwar haben sie die Möglichkeit, vom Vermieter Entlassung aus dem bisherigen Mietverhältnis zu verlangen, allerdings um den Preis, daß sie einen Nach- oder Ersatzmieter stellen müssen, der für einen Teil des Wohnungsangebotes zu den Bedingungen, wie sie vor drei bis vier Jahren üblich waren, kaum mehr zu finden ist. Soweit sich derartige Fälle nicht einvernehmlich lösen lassen, helfen nur noch verschiedene Sonderkündigungsrechte oder die Möglichkeit, unterzuvermieten. Zwar kann es sein, daß der Mieter dann auf der Differenz zwischen geschuldeter Miete und (vom Untermieter) empfangener Miete sitzen bleibt, dies kann aber unter Umständen immer noch günstiger sein, als über mehrere Monate Leerstand zu bezahlen. Auch hier gilt:

Unter drei Monaten läuft gar nichts, es sei denn, der Mieter hätte einen Grund zur fristlosen Kündigung. Ansonsten ist Einvernehmen gefragt. In jedem Falle warnt die Mieterorganisation davor, Streitigkeiten um langfristige Mietverhältnisse auf die leichte Schulter zu nehmen; die damit verbundenen Streitwerte überspringen schnell Beträge von 10 Tausend DM und mehr und können Mietern, wie Vermietern erhebliche Verluste bescheren. Von daher ist in jedem Fall sorgfältige Beratung angesagt.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

 

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