Starker Anstieg bei den räumungsbeklagten Haushalten
Kiel, den 01.09.2009
Starker Anstieg bei den räumungsbeklagten Haushalten
Im 2-Jahres-Rhythmus untersucht der Landesmieterbund in den 10 größten Städten des Landes die Entwicklung der Räumungsklagen. Diese werden von den Amtsgerichten statistisch erfasst und den örtlichen Behörden zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit gemeldet.
Nach 4 Jahren, in denen die Zahl der räumungsbeklagten Haushalte kontinuierlich rückläufig war, ist seit dem Tiefstpunkt im Jahre 2006 ein steiler Anstieg zu verzeichnen. Von 1.383 Räumungsklagen in 2006 sprang diese Zahl über 1.667 in 2007 auf 1.873 im Jahre 2008 hoch und nähert sich damit bedrohlich dem Spitzenwert aus 2001, der damals bei 2.143 Räumungsklagen lag. Im Mittel waren 2008 2,15 Haushalte auf 1.000 Einwohner mit einer Räumungsklage überzogen worden.
Allerdings schwankt diese Zahl in den einzelnen Kommunen beträchtlich; so nahm Rendsburg bei den untersuchten Städten einen Spitzenplatz mit 2,99 Räumungsklagen je 1.000 Einwohner ein, gefolgt von Flensburg mit 2,93 und Lübeck mit 2,55 Räumungsklagen. Die Landeshauptstadt Kiel lag mit 2,04 Räumungsklagen knapp unter dem Mittelwert, während die niedrigste Zahl mit 1,25 Räumungsklagen in Norderstedt anzutreffen war gefolgt von Itzehoe mit 1,31 und Neumünster mit 1,62 beklagten Haushalten. Bei alledem war bei fast allen Kommunen als positiv zu verzeichnen, dass weniger als die Hälfte dieser Räumungsklagen auch tatsächlich zu einer Zwangsräumung geführt hat. Dies zeigt deutlich, dass die Präventionsarbeit in den Kommunen gute Früchte trägt. Daraus lässt sich für betroffene Haushalte unmittelbar der Schluss ableiten, dass es sich lohnt, bei drohender Räumungsklage so schnell wie möglich behördliche Hilfe zu suchen, um vorzugsweise die Räumungsklage selber abzuwenden, in jedem Fall aber den aussichtsreichen Versuch zu unternehmen, wenigstens die Zwangsräumung zu verhindern, die ganze Familien aus ihrem sozialen Netz reißen kann.
Den steilen Anstieg der Räumungsklagen in den letzten 2 Jahren führt die Mieterorganisation auf ein rigideres Forderungsmanagement insbesondere der unternehmerischen Wohnungswirtschaft zurück, die sich ohnehin gegen einkommensschwache Haushalte abschottet. Im Zuge der Finanzkrise müssen die Wohnungsunternehmen mehr Geld abliefern, wirtschaftlicher arbeiten und die gesetzlichen Möglichkeiten, Druck auszuüben, schärfer anwenden. Die Mieterorganisation befürchtet, dass die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise steigende Arbeitslosigkeit den Anstieg bei den räumungsbeklagten Haushalten noch verschärfen wird, so dass der Spitzenwert aus 2001 schon in diesem Jahr übertroffen werden könnte. Dies gilt um so mehr, als die Zahl der preiswerten Wohnungen permanent schrumpft. Ein drastisches Beispiel dafür liefert der Kieler Mietspiegel, der im Oktober 2008 vorgelegt wurde. Auf eine kurze Formel gebracht kann festgestellt werden, dass die alten, kleinen und schlechten Wohnungen wegen großer Nachfrage deutlich im Preis zugelegt haben, und zwar in der Spitze um 7,8 %. Die überaus strittigen Mietobergrenzen, die auf die Regelungen im Sozialgesetzbuch II und XII zurückgehen, befeuern diese Tendenz kräftig. Parallel dazu haben die schönen, neuen, großen Wohnungen im Preis nachgegeben, und zwar ebenfalls bis zu 7,8 %. Insgesamt verdichtet sich das Mietgefüge immer stärker. Die Entwicklung wird begleitet von unkalkulierbaren Sprüngen bei den Energiekosten, die sich nach einem steilen Absturz Mitte 2008 wieder auf Höhenflug begeben.
Die Mieterorganisation leitet daraus folgende Forderungen ab: Land und Kommunen müssen wieder verstärkt preiswerten Wohnraum bereitstellen. Der von CDU und SPD eingeschlagene Weg mit dem neuen Wohnraumförderungsgesetz, die knappen Wohnungsbaufördermittel auch für Städtebauförderung, Quartiersmanagement und ähnliches zu verwenden, führt in die Irre. Die Wohnungswirtschaft wird diese Mittel nach Auffassung der Mieterorganisation verwenden, um die Marktgängigkeit ihrer Wohnungen zu verbessern, was sie eigentlich aus eigenen Mitteln bestreiten müsste.
Darüber hinaus fordert die Mieterorganisation die Einführung von Mietspiegeln in allen Städten mit mehr als 20 Tausend Einwohnern, um klare Berechnungsgrundlagen für die Mietobergrenzen bei Transferleistungsbezug an die Hand zu bekommen. Dies ist zugleich ein guter Weg, um die irrsinnige Prozessflut bei den Sozialgerichten einzudämmen.
Und schließlich fordern die schleswig-holsteinischen Mietervereine auch den Neubau von zeitgemäßen, aber preiswerten Wohnungen wieder stärker zu fördern. Dieses Marktsegment gerät völlig ins Hintertreffen, da der Mietwohnungsneubau zu einer Restgröße zusammengeschrumpft ist, obwohl ein rasant zunehmender Bedarf an preiswerten Wohnungen besteht. Eile ist geboten, da die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise erst jetzt richtig durchzuschlagen beginnen und sich die Nachfrage nach preiswertem Wohnraum deutlich ausweiten wird.
Nähere Auskünfte zu allen hiermit zusammenhängenden Fragen erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Deren Sprechzeiten und Aufnahmebedingungen können bei der Landesgeschäftsstelle des Mieterbundes Schleswig-Holstein, Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, Telefon 0431/97919-0 erfragt werden. Sie sind auch im Internet verfügbar unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de.
Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel