Schleswig-Holsteinisches Wohnraumförderungsgesetz: Mieterhöhungswelle rollt
Kiel, den 27.05.2014
Schleswig-Holsteinisches Wohnraumförderungsgesetz: Mieterhöhungswelle rollt
Am 1. Juli 2009 ist gegen den erklärten Widerstand der Mieterorganisation das Gesetz über die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein (SHWoFG) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz ist die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein völlig neu geregelt worden. Die bis dahin gültige Kostenmiete wurde abgeschafft. Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens gezahlte Kostenmiete wurde als „Basismiete“ neu definiert und für fünf Jahre festgeschrieben. Im Übrigen sind die öffentlich-rechtlichen Belegungsbindungen, die Laufzeiten zwischen 45 und 70 Jahren beinhalteten, auf eine Laufzeit von maximal 35 Jahren verkürzt worden.
Am 30.06.2014 endet nun die Bestandsgarantie der „Basismiete“. Damit ist den Vermietern der betroffenen Wohnungen ein erheblicher Mieterhöhungsspielraum eröffnet, den diese auch nutzen. Die Deutsche Annington war die erste, deren Mieterhöhungen dem Kieler Mieterverein auf den Tisch flatterten, gefolgt von Prelios – dem ehemals landeseigenen Wohnungsunternehmen LEG Schleswig-Holstein.
Die Mieterhöhungen haben es in sich: Zwar begrenzt das Gesetz den Mieterhöhungsspielraum der Wohnungsunternehmen auf 9 % in drei Jahren. In der Gesetzesfolgenbetrachtung, die das Innenministerium im Jahre 2007 zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens erstellt hat, ging das Ministerium selber davon aus, dass die durchschnittliche Nettokaltmiete des freifinanzierten Wohnungsbestandes um 9 %, entsprechend 0,42 € über der Miete öffentlich geförderter Wohnungen lag mit deutlich höheren Spielräumen in den Umlandkreisen Hamburgs. In der Zwischenzeit sind die freifinanzierten Mieten spürbar gestiegen, so dass praktisch überall das Mieterhöhungspotenzial von 9 % voll ausgeschöpft werden kann. Dem Kieler Mieterverein liegen bereits Erhöhungserklärungen vor, die die gesetzliche Kappungsgrenze glatt ignorieren. Mieterinnen und Mieter öffentlich geförderter Wohnungen in Schleswig-Holstein zahlen jetzt die Zeche für die damalige Gesetzesänderung, die aus dem seinerzeit SPD-geführten Innenministerium auf den Weg gebracht wurde. Die schleswig-holsteinischen Mietervereine erwarten zum 01.07.2014 landesweit Tausende von Mieterhöhungen. Damit erfüllen sich die schlimmsten Befürchtungen der Mietervereine, die vor genau diesen Folgen schon im Jahre 2009 nachdrücklich gewarnt haben.
Die damalige Gesetzesänderung trifft die Mieter heute doppelt hart: Sowohl die Bestandsmieten, wie auch die Neuvertragsmieten steigen rasant. Besonders betroffen sind Gebiete mit Mangel an preiswertem Wohnraum, wie das hamburgischen Umland, Kiel und Lübeck, die Bädergemeinden – allen voran die Insel Sylt. Gleichzeitig sinkt der Bestand an öffentlich geförderten Wohnungen dramatisch. Mit dem 30.06.2014 verlieren von den knapp 65.000 verbliebenen Sozialwohnungen infolge der Gesetzesänderung gleich 15.000 ihre Belegungsbindungen. Damit sinkt der Bestand besonders preiswerter Wohnungen auf unter 50.000 Einheiten. Betroffen sind genau die Gebiete, die ohnehin schon unter Druck stehen.
Landesweit müssten nach Auffassung der Mieterorganisation wenigstens 120.000 öffentlich geförderte Wohnungen verfügbar sein, um einen nennenswerten Dämpfungseffekt auf den Wohnungsmarkt auszuüben und sicherzustellen, dass einkommensschwache Haushalte eine realistische Chance haben, eine preiswerte Wohnung zu bekommen. Mit ihrer Forderung bleiben die Mietervereine noch deutlich hinter dem Bedarf zurück, den das Pestel-Institut in Hannover mit 152.000 Sozialwohnungen festgestellt hat.
Dass es einen steigenden Bedarf an Sozialwohnungen gibt müsste eigentlich unbestritten sein. Die Einkommensschere in Deutschland spreizt sich immer weiter. Die Zahl einkommensschwacher Haushalte nimmt dramatisch zu. Prekäre Arbeitsverhältnisse, gebrochene Erwerbsbiografien, sinkende Renten, die demographische Entwicklung und die Zunahme von Singlehaushalten führen unweigerlich zu einem Anstieg der relativen Wohnkostenbelastung.
Deswegen fordern die schleswig-holsteinischen Mietervereine eine langfristige Strategie, um den Sozialwohnungsbestand wieder aufzustocken.
- Dazu muss das Zweckvermögen Wohnungsbau wieder ausschließlich für die Wohnraumförderung verwendet werden. Die Mittel für die Krankenhaussanierung, die aus dem Zweckvermögen abgezweigt worden sind, müssen zukünftig wieder aus dem Landeshaushalt bezahlt werden.
- Zusätzlich müssen Landesmittel bereitgestellt werden, um den Negativtrend umzukehren und den allmählichem Wiederaufbau eines größeren Sozialwohnungsbestandes einzuleiten.
- Die Kommunen müssen sich durch die Bereitstellung von preiswertem Bauland und durch Kommunaldarlehen an der Aufgabe beteiligen. Gleichzeitig sollten die Kommunen versuchen, heruntergekommene ehemalige Sozialwohnungsbestände von Finanzinvestoren zu reaktivieren durch Überführung in kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Generierung neuer Bindungen bei der Instandsetzung und energetischen Modernisierung.
- Die Eigenheimförderung muss zu Gunsten von Mietwohnungen in Ballungsräumen umgeschichtet werden.
Die schleswig-holsteinischen Mietervereine halten das Wohnraumförderungsgesetz aus dem Jahre 2009 für einen vergleichbar schwerwiegenden Fehler, wie den Ausverkauf kommunaler Wohnungsunternehmen. Sie sind sich einig, dass bei der Wohnraumförderung eine Trendwende her muss. Jedenfalls in den Ballungsräumen werden sehr viel mehr öffentlich geförderte Mietwohnungen benötigt.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel