Mieterbund Schleswig-Holstein kritisiert Wohnungspolitik des Landes
Kiel, den 08.03.2001
Mieterbund Schleswig-Holstein kritisiert Wohnungspolitik des Landes
Als schlimme Fehlentwicklung kritisiert der Landesmieterbund das Wohnungsbauprogramm 2001 des Landes Schleswig-Holstein; das Land wiederholt in erschreckender Weise alle Fehler, die schon Mitte der 80er Jahre die Ursachen für die Probleme der 90er Jahre gesetzt haben. Im Einzelnen:
Innerhalb der nächsten 8 Jahre wird sich der Bestand an Sozialwohnungen von zur Zeit ca. 80 Tausend auf nur noch 40 Tausend vermindern. Von daher wäre es dringend erforderlich, dieser Entwicklung jetzt gegenzusteuern, um einen Mindestbestand von Sozialwohnungen langfristig zu gewährleisten. Das Wohnungsbauprogramm 2001 unternimmt diesen Versuch nicht einmal ansatzweise.
Der Landesmieterbund kritisiert auch die Tatsache, dass 60 Prozent der Fördermittel für den Bau von Eigenheimen verwendet werden. Dies überrascht besonders bei einer Rot-Grünen-Regierung, die eigentlich ein Interesse daran haben sollte, die Landschaft nicht mit Eigenheimen zuzupflastern und zusätzliche Verkehrsströme zu erzeugen. Die Politik kritisiert allenthalben das Ausbluten der Städte, kommt aber nicht auf die Idee, das Wohnen in den Städten attraktiver zu machen, z.B. über deutlich niedrigere Mieten und Komfortverbesserungen im Wohnungsbestand.
Auch in der Einschätzung des Neubaubedarfs trennen Landesregierung und Landesmieterbund Welten; während das Land einen Neubaubedarf von nur noch 9 Tausend Wohnungen jährlich für erforderlich hält, setzt der Landesmieterbund diese Zahl mit 15 Tausend Wohneinheiten an. Diese lässt sich auch leicht begründen: Seit Jahrzehnten wächst die Wohnfläche je Einwohner kontinuierlich um einen halben Quadratmeter jährlich. Dies geht einher mit einer Verkleinerung der Haushalte mit Zusammenlegung von Wohnungen, mit der Zunahme von Zweit- und Ferienwohnungen. Aus dieser Erkenntnis lässt sich einfach folgende Rechnung ableiten: 2,7 Millionen Einwohner Schleswig-Holsteins verbrauchen jährlich eine zusätzliche Wohnfläche von 1,35 Millionen Quadratmetern. Diese Zahl heruntergebrochen auf durchschnittliche Wohnungsgrößen von 75 Quadratmetern ergibt einen jährlichen Neubaubedarf von 18 Tausend Wohnungen. Hinzu kommt der Bedarf für die Einwohnerzuwächse, die sich zwischen 6 und 10 Tausend Einwohner jährlich eingependelt haben und einen Bedarf von ca. 4 Tausend Wohnungen auslösen. Selbst wer von dieser Berechnung großzügig 30 Prozent abstreicht, kommt auf einen Neubaubedarf, der 15 Tausend Wohnungen jährlich nicht unterschreiten darf. Bei diesen Größenordnungen ist gar nicht daran zu denken, dass das Land seine eigene Vorgabe 25 Prozent davon mit öffentlicher Förderung zu errichten, einhalten könnte.
Kritik übt der Landesmieterbund auch an der Absicht des Landes, die Fehlbelegungsabgabe weiterhin zu erheben. Diese Strafsteuer sprudelte nur deswegen so gut, weil das Land bei seiner Erhebung weit über das Ziel hinaus geschossen ist. Die Landesverordnung, die den Bemessungsmaßstab für die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe darstellt, liegt in 80 Prozent der Fälle über den Mittelwerten der Mietspiegel und hat damit weit mehr an angeblichen Subventionsvorteilen abgeschöpft, als es der wirklichen Differenz entsprach. Der Landesmieterbund teilt in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Wohnungswirtschaft, dass die Fehlbelegungsabgabe einseitige Belegungsstrukturen fördert. Nicht umsonst war das Land gezwungen, Teile von Mettenhof bereits von der Fehlbelegungsabgabe freizustellen.
Auch die euphorische Einschätzung der Landesregierung zur Sanierung und Modernisierung wird vom Landesmieterbund nur bedingt geteilt. Zwar sieht auch die Mieterorganisation einen erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Den deutlich niedrigeren Nebenkosten, die das Land herausstellt, stehen aber nach Erfahrung der Mieterorganisation deutlich steigende Mieten durch Modernisierungsmaßnahmen gegenüber. Die „warmmieten-neutrale Wärmedämmung“ bezeichnet der Landesmieterbund als Utopie. Nicht umsonst sah sich die Rechtsprechung genötigt, Mieterhöhungen wegen Energiesparmaßnahmen auf das Doppelte des Einsparungspotentials zu begrenzen. Und gerade weil der Sanierungsstau im Gebäudebestand absehbarerweise erhebliche Mieterhöhungen mit sich bringen wird, sieht der Landesmieterbund die Wohnungspolitik gefordert, mehr gegen den Mietenanstieg zu unternehmen und die Basis preiswerter Sozialwohnungen zu verbreitern, statt sie zu Gunsten von Eigentumsmaßnahmen weiter einzuschränken.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel