Mieterbund Schleswig-Holstein fordert kommunales Benennungsrecht für die Wohnungsvergabe
Kiel, den 27.11.1997
Mieterbund Schleswig-Holstein fordert
kommunales Benennungsrecht für die Wohnungsvergabe
Der schleswig-holsteinische Wohnungsmarkt ist in Bewegung wie lange nicht mehr; dabei zeigen sich völlig unterschiedliche, teils widersprüchliche Entwicklungen; bekannt ist die Tatsache, daß Neuvermietungspreise im Spitzensegment stagnieren bzw. teilweise deutlich abbröckeln. Bei den einfach und mittel ausgestatteten Wohnungen hingegen verzeichnen wir immer noch Mietsteigerungsraten, die deutlich über denen der Lebenshaltungskosten liegen.
Entspannung gibt es also nur im Teilmarkt der besseren Wohnungen. Auch im Nord-Süd-Gefälle zeigen sich Widersprüche; nördlich des Kanals hat sich die Wohnraumnachfrage empfindlich abgekühlt, während in den südlichen Landesteilen die Nachfrage das Angebot immer noch bei weitem übersteigt. Der Norderstedter Mietspiegel belegt hinlänglich, daß mit rund 6 % gegenüber dem Vorjahr die Mietsteigerungsraten immer noch überproportional hoch sind. Ganz besonders widersprüchlich entwickelt sich indessen der Teilmarkt der öffentlich geförderten Wohnungen. Auch hier laufen zwei völlig unterschiedliche Entwicklungen ab; zum einen blutet der „klassische Sozialwohnungsbestand“ aus. Mit Verlustraten bis zu 8.000 Wohnungen jährlich wird er innerhalb der nächsten 10 Jahre auf etwa die Hälfte des jetzigen Bestandes zusammenschmelzen. Gleichzeitig wird auch die Neubauförderung zurückgefahren, so daß an eine Kompensation der Verluste überhaupt nicht zu denken ist. Ein ganz entscheidender Faktor tritt hinzu; während in der klassischen Wohnungsbauförderung (1. Förderweg) sehr langfristige Preis- und Belegungsbindungen (zwischen 40 und 50 Jahren) gewährleistet wurden, betragen diese seit 1996 in der sogenannten „Vereinbarten Förderung“ nur noch 25 bis 35 Jahre. Der soziale Wert dieser Wohnungen ist zusätzlich herabgeschraubt.
Vor diesem Hintergrund fordert die Mieterorganisation mit größtem Nachdruck eine konsequente Ausnutzung der Belegungsbindungen. Dazu gibt das Gesetz in Gestalt des § 5 a Wohnungsbindungsgesetz den Kommunen ein sehr effektives Instrument an die Hand; danach sind Landesregierungen ermächtigt, in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf Rechtsverordnungen zu erlassen, die bestimmen, daß der Verfügungsberechtigte (Vermieter) eine frei oder bezugsfertig werdende Wohnung nur einem von der zuständigen Stelle (Wohnungsamt) benannten Wohnungssuchenden zum Gebrauch überlassen darf. Diese muß mindestens 3 wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl benennen mit Priorität für schwangere Frauen, kinderreiche Familien, junge Ehepaare und andere am Wohnungsmarkt benachteiligte Gruppen.
Eine derartige Rechtsverordnung wird von der Landesmieterorganisation seit Jahren erfolglos eingefordert. Bislang scheiterte sie insbesondere am erbitterten Widerstand der im Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen organisierten ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Der Widerstand gerade dieser Unternehmen ist allerdings vorne und hinten nicht nachvollziehbar; hierbei handelt es sich nämlich in vielen Fällen um kommunale Wohnungsunternehmen, die ohnehin auf dem Umweg über kommunale Mitfinanzierung oder über die zugrundeliegenden Gesellschaftsverträge verpflichtet sind, vom Wohnungsamt benannte Haushalte aufzunehmen. Aber gerade diese Wohnungsunternehmen beklagen sich lauthals über dramatisch zunehmende Probleme in ihren „sozialen Brennpunkten“. Die Hochhaussiedlungen der 70er Jahre leiden nach ihren Bekundungen stark an einer einseitigen Belegung über das Wohnungsamt, dies trage zur „sozialen Erosion“ bei. Auf das Beispiel Kiel bezogen bedeutet dies:
Das kommunale Wohnungsunternehmen mit einem Bestand von ca. 11.000 Wohnungen, auf die die Stadt ein Zugriffsrecht hat, könnte sich ganz erheblich entlasten, wenn die ca. 6.000 bis 7.000 weiteren öffentlich geförderten Wohnungen in der Stadt, für die kein kommunales Benennungsrecht besteht, in den Verfügungsrahmen der Stadt mit einbezogen würden. Mit einer Verteilung auf ca. 18.000 Wohnungen verschiedener Wohnungsanbieter ließe sich die Schieflage in der Stadt wieder entschärfen. Dies gilt keineswegs nur für die Landeshauptstadt Kiel, sondern auch für Lübeck, Neumünster und das gesamte hamburgische Umland. Dementsprechend hat auch das Land Nordrhein-Westfalen die Zeichen der Zeit erkannt und vor Monatsfrist mehr als 30 Städte, insbesondere im Ruhrgebiet, in eine derartige Verordnung eingebunden. Der Landesmieterbund wiederholt daher seine eindringliche Aufforderung, eine derartige Verordnung vor dem Hintergrund dramatisch schrumpfender Sozialwohnungsbestände auch für Schleswig-Holstein zu erlassen. Dies gilt um so mehr, als der Nachfragedruck auf den immer kleiner werdenden Sozialwohnungsbestand wegen sinkender Reallöhne und einer immer größer werdenden Anzahl von finanziell benachteiligten Haushalten permanent steigt.
Das von der Wohnungswirtschaft als Allheilmittel vorgeschlagene Instrument, im Wege freiwilliger Vereinbarungen Benennungsrechte zu gewährleisten, hingegen bezeichnet der Landesmieterbund als reine Augenwischerei; selbst wenn sich die größeren wohnungswirtschaftlichen Verbände freiwillig in derartige Vereinbarungen einbinden lassen, so werden damit gleichwohl die vielen privaten Vermieter, die ebenfalls öffentliche Mittel in Anspruch genommen haben, nicht erreicht. Der Abschluß von einigen Tausend Einzelvereinbarungen wiederum ist schlicht unmöglich. Wohl aber könnte dieses Problem mit einer entsprechenden Verordnung vergleichsweise schnell gelöst werden.
Frau Ministerin Birk: Sie sind am Zuge!
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel