Fehlbelegungsabgabe: Mieterbund reicht Klagen ein Abschaffung gefordert
Kiel, den 16.03.2000
Fehlbelegungsabgabe: Mieterbund reicht Klagen ein
Abschaffung gefordert
In den 25 Beratungsstellen des Landesmieterbundes treffen zur Zeit die ersten Bescheide auf Widersprüche gegen die Fehlbelegungsabgabe ein. In mehreren Fällen haben die dem DMB angeschlossenen Vereine zwischenzeitlich Klage gegen die Investitionsbank SH vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig erhoben.
Grund für den neuen gerichtlichen Waffengang ist die Tatsache, dass die Landesverordnung die als Vergleichsmaßstab für die Höhe des ortsüblichen Mietgefüges herangezogen wird nach Auffassung der Mietervertreter viel zu hoch greift. Der Landesmieterbund hat für 16 typisierte Standardwohnungen Vergleichsberechnungen zwischen örtlichen Mietspiegeln und Landesverordnung (zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens) duchgeführt und zum Beispiel für Kiel in 2 Fällen eine geringfügige Unterschreitung und in allen übrigen vergleichbaren Fällen Überschreitungen des Mietspiegelgefüges um bis zu 22 % festgestellt (Tabelle als Anlage anbei). Diese Differenzen dürften zwischenzeitlich noch sehr viel krasser ausfallen, angesichts des abgesunkenen Mietgefüges. Deswegen hatte das Land in Mettenhof auch bereits umfangreiche Freistellungen von der Fehlbelegungsabgabe verfügt, um den weiteren Wegzug abgezockter Mieterhaushalte zu verhindern.
Dabei hatte der Landesmieterbund schon im Vorfeld vor derartigen Entwicklungen gewarnt und gefordert, dass – wie früher – die örtlichen Mietspiegel als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Diese spiegeln nämlich die örtlichen Wohnungsmärkte sehr viel differenzierter wieder, als die nach Auffassung des Landesmieterbundes mit heißer Nadel gestrickte Landesverordnung. Der DMB Schleswig-Holstein sieht das Problem als hausgemacht im Bauministerium an.
Besonders verärgert ist die Mieterorganisation aufgrund der Tatsache, dass das Ministerium einer bürgerfreundlichen Einigung um diesen Streit völlig unzugänglich gegenüberstand. Der Wunsch, im Rahmen einiger Musterprozesse die anstehenden Fragen zu klären, wurde der Organisation glatt abgeschlagen. So sind die betroffenen Mieter denn gezwungen, jeder für sich Klage einzureichen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass ihre Bescheide bestandskräftig werden. Schon im ersten Waffengang um die Fehlbelegungsabgabe sind seinerzeit rund 150 Klagen über die Mieterorganisation anhängig gemacht worden, die im Wesentlichen einvernehmlich und mit zufriedenstellenden Ergebnissen beigelegt worden sind. Der Landesmieterbund hat wenig Verständnis dafür, dass erneut in erheblichem Umfang die Gerichte bemüht werden müssen obwohl das Land mit der vorgerichten obligatorischen Streitschlichtung gerade jetzt neue Wege beschreiten möchte, um unnötige Prozesse zu verhindern.
Die kompromisslose Haltung des Ministeriums kann nach Auffassung des Landesmieterbundes sehr wohl dazu führen, dass eine Minderheit von Mietern durch Urteil oder Vergleich zu einer verminderten Leistung herangezogen wird, während die Nachbarn mit bestandskräftigen Bescheiden in alter Höhe weiterzahlen müssen. Wer auch immer zukünftiger Bauminister/in sein wird – sie oder er wird es schwer haben, dies politisch überzeugend vertreten zu können.
Der Landesmieterbund richtet daher erneut die Aufforderung an das Land, das Angebot des Landesmieterbundes aufzugreifen, die strittigen Fragen in Musterprozessen zu klären und verbindet dies mit der Forderung, die Ergebnisse dieser Verfahren allen Betroffenen zugute zu halten, auch denen, die keinen Widerspruch eingelegt haben.
Im übrigen fordert die Organisation die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe. Dafür sind gleich mehrere Gründe ausschlaggebend:
- Die Höhe der Fehlbelegungsabgabe fördert die soziale Entmischung überall dort, wo eine hohe Sozialwohnungsdichte anzutreffen ist. Fehlbelegende Haushalte ziehen aus den überteuerten Wohnungen aus und verursachen Leerstände bzw. einseitige Belegungsstrukturen die mühsam und mit hohem finanziellen Aufwand wieder ins Lot gebracht werden müssen („Soziale Stadt“, „Urban“).
- Die Zahl der Sozialwohnungen, für die theoretisch noch eine Abgabe erhoben werden kann sinkt dramatisch ab, weil innerhalb der nächsten 8 Jahre ca. 40.000 von restlichen 80.000 Sozialwohnungen ihre Preis- und Belegungsbindungen verlieren werden und Fehlbeleger massenhaft ausgezogen sind.
- Das Instrument Fehlbelegungsabgabe hat sich als so unflexibel erwiesen, dass es dauerhaft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt, verbunden mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand.
Nach Auffassung des Landesmieterbundes tut das Land gut daran, den Scherbenhaufen jetzt zusammenzukehren und mit einem neuen Ressortzuschnitt auch unter dieses besonders traurige Kapitel einen Schlußstrich zu ziehen.
1960 |
1972 |
1985 |
1995 |
|||||||||
Kiel |
||||||||||||
Landes-VO |
Mietspiegel |
Differenz |
Landes-VO |
Mietspiegel |
Differenz |
Landes-VO |
Mietspiegel |
Differenz |
Landes-VO |
Mietspiegel |
Differenz |
|
35 m² |
12,19 |
10,63 |
14,68 % |
12,66 |
10,63 |
19,10 % |
13,49 |
* |
* |
* |
* |
* |
55 m² |
10,97 |
9,28 |
18,21 % |
11,36 |
9,28 |
22,41 % |
13,53 |
12,91 |
4,80 % |
15,57 |
15,15 |
2,77 % |
65 m² |
10,11 |
9,41 |
7,44 % |
10,79 |
9,41 |
14,67 % |
11,83 |
11,90 |
-0,59 % |
14,50 |
14,35 |
1,05 % |
75 m² |
10,11 |
9,41 |
7,44 % |
10,79 |
9,41 |
14,67 % |
11,83 |
11,90 |
-0,59 % |
14,50 |
14,35 |
1,05 % |
Lübeck |
||||||||||||
35 m² |
12,19 |
10,25 |
18,93 % |
12,66 |
12,31 |
2,84 % |
13,49 |
11,89 |
13,46 % |
* |
11,89 |
* |
55 m² |
10,97 |
9,59 |
14,39 % |
11,36 |
11,33 |
0,26 % |
13,53 |
13,01 |
4,00 % |
15,57 |
13,01 |
19,68 % |
65 m² |
10,11 |
8,98 |
12,58 % |
10,79 |
9,97 |
8,22 % |
11,83 |
11,98 |
-1,25 % |
14,50 |
11,98 |
21,04 % |
75 m² |
10,11 |
8,98 |
12,58 % |
10,79 |
9,97 |
8,22 % |
11,83 |
11,98 |
-1,25 % |
14,50 |
11,98 |
21,04 % |
Neumünster |
||||||||||||
35 m² |
10,36 |
9,00 |
15,11 % |
13,04 |
9,50 |
37,26 % |
13,02 |
10,50 |
24,00 % |
* |
12,75 |
* |
55 m² |
10,18 |
9,00 |
13,11 % |
11,05 |
9,50 |
16,32 % |
12,16 |
10,50 |
15,81 % |
12,61 |
12,75 |
-1,10 % |
65 m² |
9,41 |
9,00 |
4,56 % |
10,20 |
9,50 |
7,37 % |
10,84 |
10,50 |
3,24 % |
12,13 |
12,75 |
-4,86 % |
75 m² |
9,41 |
9,00 |
4,56 % |
10,20 |
9,50 |
7,37 % |
10,84 |
10,50 |
3,24 % |
12,13 |
12,75 |
* |
Norderstedt |
||||||||||||
35 m² |
13,79 |
15,84 |
-12,94 % |
14,69 |
15,36 |
-4,36 % |
15,19 |
15,36 |
-1,11 % |
* |
18,62 |
* |
55 m² |
12,14 |
11,77 |
3,14 % |
13,04 |
13,10 |
-0,46 % |
16,03 |
13,10 |
22,37 % |
16,75 |
17,38 |
-3,62 % |
65 m² |
11,21 |
11,36 |
-1,32 % |
11,87 |
11,39 |
4,21 % |
14,36 |
11,39 |
26,08 % |
15,82 |
17,32 |
-8,66 % |
75 m² |
11,21 |
11,19 |
0,18 % |
11,87 |
12,58 |
-5,64 % |
14,36 |
12,58 |
14,15 % |
15,82 |
17,25 |
-8,29 % |
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel