Der schleswig-holsteinische Wohnungsmarkt im Jahre 2005
Kiel, den 19.05.2005
Der schleswig-holsteinische Wohnungsmarkt im Jahre 2005
Der schleswig-holsteinische Wohnungsmarkt zeigt sich gegenwärtig stark ausdifferenziert: In weiten Teilen des Landes sind entspannte Wohnungsmärkte anzutreffen, z.B. in Kiel und Lübeck. Im hamburgischen Umland stellt sich der Markt noch als ausgeglichen dar – wer umziehen möchte, findet problemlos eine neue Wohnung.
Im Norden und an der Westküste wiederum verzeichnen die Mietervereine teilweise deutliche Leerstände, während in den Bädergemeinden, ganz besonders aber auf den Inseln ausgesprochene Wohnungsengpässe bestehen. Auf der Insel Sylt beispielsweise kann von einem funktionierenden Wohnungsmarkt überhaupt nicht die Rede sein.
Schleswig-Holsteinisches Mietengefüge sehr hoch
Insgesamt leidet das Land unter einem unangemessen hohen Mietgefüge; dies lässt sich beispielsweise aus der Wohngeldverordnung ableiten. Während in Bayern 30 Prozent der Kreise und Kommunen in die niedrigste Mietenstufe 1 eingruppiert sind, ist diese Mietenstufe in Schleswig-Holstein gar nicht erst vertreten. Umgekehrt sind 14,3 Prozent der schleswig-holsteinischen Kommunen in der teuersten Mietenstufe 6 (25 Prozent und mehr über dem Bundesdurchschnitt) angesiedelt. Damit nimmt Schleswig-Holstein den Spitzenplatz ein. Die Sache wiegt um so schwerer, als die Wohngeldverordnung das „preiswerte“ Mietsegment widerspiegelt. Überdies beleuchtet der Vergleich der Mietenstufen nur die halbe Wahrheit: Die Bädergemeinden sind allesamt zu klein, um mit einer eigenen Mietenstufe in der Wohngeldverordnung berücksichtigt zu werden. Also werden sie den Kreisen zugeordnet. Z.B. gehört die Stadt Westerland damit der Mietenstufe 4 an wie der gesamte Kreis Nordfriesland, obwohl für sie die Mietenstufe 7 eigens geschaffen werden müsste.
Dramatisches Absinken des Sozialwohnungsbestandes
Das Land verfügt nur noch über rund 80 Tausend Sozialwohnungen. Schon jetzt ist absehbar, dass sich dieser Bestand innerhalb der nächsten 8 Jahre noch einmal halbieren wird. Damit geht ein dramatischer Schwund an preiswerten Wohnungen einher. Dieser Trend wird verschärft durch die zu erwartenden Folgen aus dem Ausverkauf der großen Wohnungsunternehmen: Kieler Werkswohnungen GmbH mit 10 Tausend, Kieler Wohnungsbaugesellschaft mit 11 Tausend, BIG-Heimbau AG mit 10 Tausend und die LEG Schleswig-Holstein mit rund 20 Tausend Wohnungen sind in den letzten 5 Jahren verkauft worden. Alle vier Unternehmen werden auf höhere Rendite getrimmt. Wohnungsprivatisierungen gehören zum Programm der Erwerber. Auch diese Verkäufe belasten das preiswerte Marktsegment. Bei einem Anziehen der Wohnungsmarktnachfrage ist zu erwarten, dass die gegenläufige Entwicklung zwischen gestiegener Renditeerwartung und gesunkener Kaufkraft aufgrund steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Sozialleistungen zu erheblichen Problemen führen wird. Die Mietervereine fordern deshalb verstärkte Anstrengungen, um den Sozialwohnungsbestand im Fernziel bis auf 120 Tausend Wohneinheiten aufzustocken, z.B. im Rahmen von Modernisierungen oder durch Bindungsankäufe. Um das Umwandlungsgeschehen im Lande besser erfassen zu können ist das Land aufgefordert, Umwandlungsfälle systematisch zu erfassen, um gegebenenfalls Kündigungssperrfristen verlängern zu können.
Sinkende Wohnungsbautätigkeit bei steigender Nachfrage
Die Einwohnerzahl von Schleswig-Holstein wächst beständig – zur Zeit um ca. 10 Tausend Einwohner jährlich. Dies entspricht einem zusätzlichen Bedarf von rund 5 Tausend Wohnungen jährlich. Es ist absehbar, dass die Entwicklung bis ca. 2015 anhalten wird. Auf der anderen Seite verzeichnet das Land einen dramatischen Absturz bei den Baugenehmigungen. Wurden 1994 noch 22.500 Wohnungen zum Neubau genehmigt, so ist diese Zahl im Jahre 2004 auf rund 9.500 abgesackt mit weiterhin sinkender Tendenz. Wohnungswirtschaft rechnet auf 100 Jahre. Bei einem Gesamtbestand von 1,35 Millionen Wohnungen wäre der jährliche Abgang mit 13.500 Wohnungen zu kalkulieren. Selbst wenn man diese Zahl nur zu 50 Prozent ansetzt, weil durch Modernisierungsmaßnahmen die Nutzungsdauer verlängert werden kann, so benötigte das Land 6.750 Wohnungen für die Bestandserhaltung und 5.000 für Neubürger, entsprechend rund 12 Tausend Wohnungen jährlich. Diese Zahl wird schon seit dem Jahre 2001 nicht mehr erreicht. Dabei muss berücksichtigt werden, dass durch den Abriss von Hochhäusern auch neue und vor allem preiswerte Wohnungen in größeren Stückzahlen verloren gehen, wie in Trappenkamp und Lübeck bereits geschehen und in Kiel zur Zeit vollzogen (Schönberger Straße 44). Diese Entwicklung führt unweigerlich in eine neue Mangellage, die sich insbesondere bei den einkommensschwachen Haushalten auswirken wird. Nach Auffassung der schleswig-holsteinischen Mietervereine verbietet sich überdies eine rein quantitative Betrachtung des Wohnungsmarktes. Was nutzen leerstehende Wohnungen auf dem flachen Land im Norden und im Westen, wenn die Nachfrage im Süden des Landes und in den Großräumen Lübeck und Kiel anzieht. Die Konsequenz aus diesen Entwicklungen kann nur die sein, preiswerten Wohnraum zu erhalten und die Wohnungsbautätigkeit wieder auf rund 12 Tausend Wohnungen jährlich herauf zu fahren.
Mängel, Betriebskosten, Heizkosten
In der Beratungstätigkeit der schleswig-holsteinischen Mietervereine gibt es Schleswig-Holstein spezifische Schwerpunkte: Das Land zwischen den Meeren ist das Land des Windes. Dies ist einer der Gründe, weswegen insbesondere im Winterhalbjahr die Beratung wegen Feuchtigkeit und Schimmelpilzbildung der (durch den Wind ausgekühlten) Wohnungen sprunghaft ansteigt. Hierzu gehören auch Auseinandersetzungen wegen überhöhter Heizkosten und unzulänglicher Raumtemperaturen. Aber selbst dort, wo mangelfreie Wohnungen angetroffen werden, leidet das Land unter den lagebedingten hohen Heizkosten. Schleswig-Holstein ist das Bundesland mit dem höchsten Energieverbrauch für Raumwärme. Die Mietervereine unterstützen daher alle Bestrebungen, die auf eine energetische Modernisierung des Wohnungsbestandes hinwirken, allerdings mit dem mahnenden Hinweis, dass dadurch nicht die letzten preiswerten Wohnungsbestände wegmodernisiert werden dürfen.
Wir anderenorts auch spielt in Schleswig-Holstein der Bereich Betriebskosten eine herausragende Rolle. Rund 20 Prozent aller Beratungsfälle haben dieses Thema zum Gegenstand. In der deutlich gestiegenen Beratungsnachfrage spiegelt sich auch die Tatsache wider, dass Mieterhaushalte wegen sinkender Realeinkommen mehr denn je darauf achten müssen, ihre Kosten zu begrenzen. Haben Mieterhaushalte früher bei strittigen Betriebskostenanteilen unterhalb von 100,00 DM öfter abgewunken und den Streit für beendet erklärt, so wird gegenwärtig auch um die letzten 5,00 EURO einer Betriebskostenabrechnung heftig gerungen. Dabei sind sich die Mieterhaushalte durchaus darüber im Klaren, dass erfolgreich abgewehrte Kosten aus der Betriebskostenabrechnung 2004 auch zu einer Minderung der Betriebskostenbelastung des Jahres 2005 führen wird. Schwerpunkte bei Betriebskostenstreitigkeiten sind Hausmeisterkosten, die Reparatur- und Verwaltungsleistungen enthalten, Fahrtstuhlwartungskosten, bei denen über Vollwartungsverträge ebenfalls Reparaturkosten enthalten sind, sowie die besonders hohen Kosten von Wasser und Abwasser, die teilweise nach ungerechtfertigten Schlüsseln abgerechnet werden oder in die Kosten eingeflossen sind, die dem Mieter nicht belastet werden dürfen, z.B. für Gewerbe, Gartenpflege, Waschmaschinen u.a. Auch im Bereich der vergleichsweise hohen Müllentsorgungskosten entwickeln Mieter zunehmende Sensibilität für überdimensionierte Kapazitäten, Mülleinlagerungen durch Dritte oder Müllentsorgungskosten, die durch Gewerbe verursacht werden.
Größeres Streitpotential nach Zeiten relativer Ruhe
Mit der Entspannung des Wohnungsmarktes ging nach Wahrnehmung der Mietervereine auch eine Entspannung in dem Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern einher. Diese Zeit scheint jedoch zu Ende zu gehen. Die Mietervereine registrieren eine deutlich gestiegene Konfliktbereitschaft aufgrund der Tatsache, dass die Mieterhaushalte sehr auf ihre Ausgaben achten. Die Vereine führen dieses Verhalten unmittelbar auf die durch die Hartz IV-Gesetzgebung ausgelöste Diskussion zurück: Mieter befürchten, wegen zu hoher Wohnkosten entweder ihre Wohnung wechseln zu müssen, oder größere finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Damit einhergehend widersetzen sie sich stärker als früher Mieterhöhungsforderungen, nehmen aber auch ihre Verbrauchsgewohnheiten stärker unter die Lupe. Da, wo überhöhte Betriebskosten auf Mängel des Mietobjektes zurückzuführen sind, drängen Mieter verstärkt auf Mängelbeseitigung. Das Klima zwischen Mietern und Vermietern wird wieder rauher. Einzelheiten zu örtlichen Besonderheiten teilen gerne die schleswig-holsteinischen Mietervereine mit. Deren Adressen können zentral über die Landesgeschäftsstelle (Telefon 0431/979190) oder über www.mieterbund-schleswig-holstein.de abgefragt werden.
Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel