Bericht der Landesregierung zur Wohnraumversorgung in Schleswig Holstein – Kritische Anmerkungen d

Kiel, den 25.04.2013

Bericht der Landesregierung zur Wohnraumversorgung in Schleswig Holstein
– Kritische Anmerkungen des Mieterbundes

Die schleswig-holsteinischen Mietervereine haben den Bericht der Landesregierung zur Wohnraumversorgung einer kritischen Überprüfung unterzogen. Ihre Einschätzung weicht deutlich von den Feststellungen der Landesregierung ab. Im Einzelnen:

Die Mietervereine teilen nicht die Einschätzung des Innenministeriums, dass das aktuelle Fördervolumen ausreicht, um Wohnungen mit auslaufenden sozialen Bindungen in ausreichendem Maß zu ersetzen (Seite 4 des Berichtes). Sie stützen sich dabei auf die Ergebnisse der regionalisierten Wohnungsmarktbeobachtung durch die Investitionsbank Schleswig-Holstein. Der Bericht des Jahres 2012 prognostiziert für 2013 einen Bestand von 64.883 gebundenen Wohnungen. Aufgrund des tiefen Einschnitts, der durch das SHWoFG vorprogrammiert ist (vorzeitige Kappung von Bindungen zur Förderung des Neubaus), bricht der Bestand gebundener Wohnungen um 15.027 Wohnungen auf einen Tiefststand von nur noch 49.856 Wohneinheiten im Jahre 2014 ein. Allein um diesen Aderlass binnen zehn Jahren zu kompensieren müsste die Wohnraumförderung um 1.500 zusätzliche Einheiten jährlich aufgestockt werden.

Kritisch steht die Mieterorganisation auch der Aussage des Innenministeriums gegenüber, die Wohnraumförderung werde zu Beginn des Jahres 2013 komplett neu aufgestellt. Fakt ist nämlich, dass bei dieser Neuaufstellung das finanzielle Volumen der Wohnraumförderung nicht ausgeweitet worden ist. Auch die Zahl der zu fördernden Wohnungen ist nicht erhöht worden. Vielmehr hat das Innenministerium die Finanzierungsbedingungen für die Wohnungswirtschaft verbessert. Dazu sind unter anderem die Mietobergrenzen erhöht worden, was nichts anderes bedeutet, als dass für die zukünftig geförderten Wohnungen in den betroffenen Bereichen 5,50 € je Quadratmeter zu bezahlen sind, statt wie bisher 5,10 €. Diese Anhebung geht nach Feststellungen der Mietervereine spürbar über die Mietendynamik der letzten Jahre hinaus. Beispielhaft sei auf den Mietspiegel der Landeshauptstadt Kiel verwiesen. Die Durchschnittsmiete im Jahre 2002 betrug 5,81 €. In der Folgezeit gab es einen tiefen Einbruch bis auf 5,41 € im Jahr 2006. Der Mittelwert des Mietspiegels 2012 liegt erst bei 5,55 € und damit immer noch deutlich unter dem des Jahres 2002.

Ablehnend stehen die Mietervereine auch einer weiteren Neuerung gegenüber. Das Innenministerium hat parallel zur Anhebung der Mietobergrenzen eine zweite Mietobergrenze neu eingeführt, die auf 7,00 € festgesetzt wurde. Sie soll auch besser verdienenden einkommensschwachen Haushalten den Anspruch auf eine geförderte Wohnung öffnen. Prinzipiell wären die Mietervereine geneigt, diesen Weg zu unterstützen, allerdings nur unter der Bedingung, dass dafür zusätzliche Fördermittel bereitgestellt werden. Dies ist aber nicht der Fall. Deswegen bedeutet die erhöhte Mietobergrenze bei 7,00 € nichts anderes, als eine Kürzung des Fördervolumens derjenigen Wohnungen, deren Mietobergrenze auf 5,50 € festgesetzt wurde. Besser verdienende einkommensschwache Haushalte profitieren zu Lasten noch schlechter verdienender einkommensschwacher Haushalte.

Auf Seite 7 des Berichtes setzt sich die Landesregierung mit der Empfehlung der Wohnungsmarktprognose zum Umgang mit zukünftig entfallenden Bindungen auseinander. Danach soll ein Viertel der entfallenden Bindungen im Rahmen der Neubauförderung ersetzt werden. Hieran haben die Mietervereine nichts auszusetzen. Ein weiteres Viertel solle im Rahmen der Modernisierungsförderung ersetzt werden. Auch damit könnten die Mietervereine sich noch einverstanden erklären. Das dritte Viertel solle nach Meinung der Wohnungsmarktprognose über Kooperationen bzw. Vereinbarungen zwischen Vermietern und Kommunen ohne Landesförderung ersetzt werden. Leider konnte der Sachverständige, der die Prognose öffentlich vorgestellt hat, keine Antwort darauf liefern, wie viele Wohnungen bislang denn tatsächlich auf diese Weise ersetzt worden sind. Die Mietervereine gehen davon aus, dass dieser Ersatz bestenfalls im zweistelligen Bereich stattfindet. Sie hätten es gerne gesehen, wenn der Bericht dazu eine belastbare Aussage getroffen hätte.

Für das letzte Viertel, mit dem entfallende Bindungen ersetzt werden sollen, gilt die Empfehlung, die entfallenden Bindungen dadurch zu ersetzen, dass auf einen Ersatz verzichtet wird. Die Zahlen belegen zwar, dass die Landesregierung dieser Empfehlung folgt, sie gehört aber nach Auffassung der Mietervereine eher in die Abteilung „Humor im Innenministerium“, als in den Werkzeugkasten der Wohnungsbauförderung. Die „Offensive für das bezahlbare Wohnen“, die das Innenministerium gestartet hat, geht jedenfalls von einer Mangellage an preiswertem Wohnraum in den Ballungsräumen aus. Die Mietervereine fordern deshalb, diesen Widerspruch schnellstmöglich aufzulösen und die entfallenden Bindungen nicht nur zu ersetzen, sondern den Bestand geförderter Wohnungen allmählich wieder auf landesweit 120.000 Einheiten aufzustocken.

Auf Seite 8 des Berichtes weist das Innenministerium darauf hin, dass auch die bisherigen Bewilligungszahlen wegen statistischer Fehler mit großer Vorsicht zu verwenden sind. Tatsächlich dürfte die Versorgung mit gebundenen Wohnungen noch um ca. 4.000 Wohneinheiten schlechter dastehen, was auch den zukünftigen Bestand belastet.

Die Überlegungen der Landesregierung zur Anpassung des Wohngeldes werden von den Mietervereinen unterstützt. Zusätzlich fordern sie von der Landesregierung, die Wohnraumförderung so umzustellen, dass zukünftige Mietobergrenzen als Bruttomieten ausgewiesen werden, neben denen nur noch verbrauchsabhängige Betriebskosten umgelegt werden dürfen. Nach Auffassung der Mietervereine wird damit ein starker Anreiz auf die Wohnungswirtschaft ausgeübt, Betriebskosten möglichst niedrig zu halten, da dies zu einer Verbesserung ihrer Nettorendite führen wird. Die GEWOBA Nord eG zum Beispiel bietet freifinanzierte Neubauwohnungen mit einer derartigen Mietstruktur an und beweist damit nach Meinung der Mieterorganisationen eindrucksvoll, dass dieser Weg auch gangbar ist.

Auf Seite 28 lässt der Bericht wissen, dass das SHWoFG sich zum Ziel gesetzt habe, bis zum 30.06.2014 „veraltete und nicht mehr zeitgemäße Wohnungen“ aus der Bindung zu entlassen. Dieses Gesetzesvorhaben ist von der Mieterorganisation seinerzeit vehement abgelehnt worden. Es führt unmittelbar zu dem massiven Einbruch im Bestand geförderter Wohnungen, der eingangs bereits kritisiert worden ist. Das Innenministerium verteidigt das Gesetz gerne mit dem Hinweis, dass die Wohnungen ja nicht vom Markt verschwinden, sondern weiterhin zur Verfügung stehen. Dies ist zwar zutreffend, aber nur die halbe Wahrheit. Mit dem Fortfall der Belegungsbindungen werden erhebliche Mieterhöhungsspielräume eröffnet, insbesondere im Fall der Neuvermietung. Schlimmer noch: Auf gebundene Wohnungen können nur einkommensschwache Mieter mit Berechtigungsnachweis zugreifen. Wenn dieselben Wohnungen plötzlich für alle Haushalte zugänglich sind, stehen einkommensschwache Haushalte in unmittelbarer Konkurrenz zu Besserverdienenden, wobei sie meistens den Kürzeren ziehen. Die Fragebögen der Wohnungswirtschaft, mit denen Mietinteressenten ausgeforscht werden, gehen genau aus diesem Grunde vorrangig und sehr detailliert der Frage ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach.

Die Mietervereine widersprechen auch der Einschätzung des Innenministeriums, dass der Ersatzneubau ein geeignetes Instrument wäre, eine innerstädtische Neubebauung mit mehr Wohnfläche, höherer Energieeffizienz und Barrierefreiheit zu gewährleisten. Nach Erfahrung der Mietervereine ist mit dem Ersatzneubau regelmäßig Mieterverdrängung in erheblichem Umfang verbunden. Ein schlimmes Beispiel sind die ehemaligen Mietwohnungen in der Kieler Moltkestraße gewesen, die Luxus-Eigentumswohnungen der Firma FRANK weichen mussten. Nach Meinung der Mietervereine muss der zweifellos nötige Ersatzbau in umgekehrter Reihenfolge stattfinden: Erst muss der Neubau stattfinden, dann mag ein Abriss Platz für eine Anschlussbebauung schaffen. Dies alles muss in einem geordneten und fairen Verfahren mit der betroffenen Mieterschaft vereinbart werden.

Die Ausführungen des Berichtes zur Rolle der Genossenschaften werden von den Mietervereinen weitgehend geteilt. Auch in der Mieterorganisation gelten Genossenschaften mehrheitlich als Garanten preiswerten und sicheren Wohnens. Trotzdem fordern die Mietervereine auch die Landesregierung auf, den Kommunen Hilfestellungen dafür zu leisten, dass sie kommunale Wohnungsbestände sukzessive wieder aufbauen können. Nur mithilfe kommunaler Unternehmen können Wohnungsnotfälle schnell versorgt werden, können Kommunen auf das Mietgefüge Einfluss nehmen, können Modellprojekte zum Laufen gebracht werden und besteht die Möglichkeit, städtebaulichen Missständen vor Ort abzuhelfen. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften sind die richtigen Adressaten, um den Sozialwohnungsbestand in den Kommunen wieder aufzustocken. Lübeck ist dafür ein gutes Beispiel. Gerade vor dem Hintergrund des praktisch vollständigen Ausverkaufes kommunaler Wohnungsbaugesellschaften in Schleswig-Holstein bedarf es der Unterstützung des Landes, Anstöße für den Wiederaufbau kommunaler Wohnungsbaugesellschaften zu geben. Die Zeit dafür ist günstig angesichts der Tatsache, dass die ersten Finanzinvestoren schwächeln und dringend einen Ausstieg aus ihrem Investment suchen.

Nähere Auskünfte zu allen hiermit zusammenhängenden Fragen erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Deren Sprechzeiten und Aufnahmebedingungen können bei der Landesgeschäftsstelle des Mieterbundes Schleswig-Holstein, Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, Telefon 0431/97919-0 erfragt werden. Sie sind auch im Internet verfügbar unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

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