Außergerichtliche Streitschlichtung behutsam installieren

Kiel, den 19.03.98

Außergerichtliche Streitschlichtung behutsam installieren

Auf Bundesebene, bei den Ländern und in der Justiz wird zur Zeit die Möglichkeit diskutiert, den Zugang zu den Gerichten für zivilrechtliche Entscheidungen bei kleineren Streitwerten dadurch zu erschweren, daß obligatorisch ein Streitschlichtungsverfahren vorgeschaltet wird. Erst wenn dieses Verfahren erfolglos abgeschlossen wurde, kann eine gerichtliche Entscheidung erzwungen werden.

Justizminister Walter hat sich bereits mehrfach öffentlich für dieses Verfahren stark gemacht, so daß der Landesmieterbund Schleswig-Holstein mit einer zügigen Umsetzung dieser Regelung rechnet, wenn die bundesgesetzliche Regelung tatsächlich verabschiedet wird.

Der Landesmieterbund steht dem Verfahren aus verschiedenen Gründen sehr skeptisch gegenüber. Im einzelnen:

Der Landesmieterbund versteht sich im besten Sinne des Wortes als streitschlichtende Organisation. Die gut 50 Tausend in der Organisation vertretenen Haushalte nehmen landesweit rund 35 Tausend Beratungstermine wahr. Dabei werden zwischen 6 und 8 Tausend Streitfälle bearbeitet, von denen ca. 800 bis 900 letztendlich vor Gericht landen. Dies wiederum sind häufig Fälle, die Pilotcharakter haben und z.B. bei Miethöhen, Heiz- oder Betriebskostenabrechnungen etliche Parallelstreitigkeiten gleich mit entscheiden. Von daher sieht die Landesmieterorganisation für diesen Bereich keinen Bedarf einer institutionalisierten Schlichtung.

Ganz im Gegenteil sieht sie für die rechtssuchende Bevölkerung erhebliche Risiken. Im Falle der erfolglosen Schlichtung – z.B. wenn das wirtschaftlich stärkere Wohnungsunternehmen einfach nicht nachgeben will – verzögert sich der Streit bis zu seiner endgültigen Entscheidung. Auch die Verfahrenskosten werden sich erhöhen, da die Schlichter sicher nicht um Gottes Lohn arbeiten werden.

Mit der Einschaltung eines Schlichters oder einer Schlichtungsstelle müssen sich zusätzliche Sachbearbeiter in eine teilweise höchst komplizierte Materie einarbeiten, von denen keineswegs feststeht, daß sie die für das Schlichtungsverfahren nötigen Kenntnisse mitbringen. Diese werden sie aber brauchen, wenn es um Fragen der Miethöhe, von Betriebskosten oder Mängeln geht, die den Löwenanteil der mietrechtlichen Streitigkeiten ausmachen. Im Schlichtungsverfahren findet nämlich keine Beweisaufnahme statt.

Der Landesmieterbund fordert daher:

Für den Bereich des Mietrechtes sollte die Bearbeitung des Streitfalles durch einen DMB Mieterverein die Freistellung vom Güteverfahren bewirken.

Das Verfahren selber darf zu keiner Einschränkung oder Verschlechterung von Mieterrechten führen.

Es muß rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen.

Qualitätsstandard sind durch juristische und wohnungswirtschaftliche Qualifikationen bei der Besetzung der Gütestelle sicherzustellen.

Die durch das Güteverfahren angestrebte Verfahrensverkürzung und Entlastung der Gerichte darf sich nicht dadurch ins Gegenteil verkehren, daß wegen qualitativer Defizite eine nachfolgende gerichtliche Entscheidung gleichwohl zur Regel wird. Es darf auch keine zusätzlichen Prozeßkosten auslösen, wenn die Schlichtung fehlschlägt. Es muß der Prozeßkostenhilfe zugänglich sein.

Ein Güteverfahren, das außerhalb der Mieterorganisation angesiedelt wird, muß eine bundesrechtlich abgesicherte Vertretungsbefugnis für Mietervereinsvertreter ausdrücklich gewährleisten.

Fazit der Mieterorganisation:

Mit den Bestrebungen, eine außergerichtliche Streitschlichtung einzuführen, greift der Staat tief in eine Streitkultur ein, die seit über 100 Jahren gewachsen ist und sich bewährt hat. Mietervereine als Selbsthilfeorganisationen im besten Sinne des Wortes laufen Gefahr, durch einen staatlichen Eingriff behindert zu werden. Vor diesem Hintergrund fordert der Landesmieterbund den Bundesgesetzgeber und das Land Schleswig-Holstein nachdrücklich auf, in diesem Bereich – wenn überhaupt – nur sehr behutsam einzugreifen.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

 

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