Historie

Verbandsgeschichte

Der Deutsche Mieterbund Landesverband Schleswig-Holstein wurde am 16.05.1920 als „Verband Norddeutscher Mietervereine“ in Kiel gegründet. Seinerzeit trafen sich Vertreter von Mietervereinen aus vielen Orten der damals noch preußischen Provinz Schleswig-Holstein und aus dem benachbarten Hamburg. Zu dieser Zeit war der Kieler Mieterverein bereits seit sechs Jahren aktiv und erlebte ganz Deutschland eine Gründungswelle von Mietervereinen als direkte Folge der Gründung örtlicher Haus- und Grundbesitzervereine. Die Ziele damals:

1. Die Schaffung eines sozialen Boden-, Wohnungs- und Siedlungsrechtes.
2. Ausbau des Mieterrat-Systems und dessen gesetzliche Anerkennung.
3. Einführung einheitlicher sozialer Mietverträge durch zwingendes Recht.
4. Ausbau der Wohnungsaufsicht, -pflege, -fürsorge und der Wohnungshygiene.
5. Förderung und Ausbau des Siedlungs- und Verkehrswesens.
6. Förderung aller Verbraucherinteressen.
7. Bekämpfung des Bodenwuchers.
8. Sozialisierung des Wohnungswesens und des Bodens.

Der Gründungskongress hat Kiel zum Sitz des neu gegründeten Verbandes bestimmt und wählte mit dem Kieler Stadtverordneten Gustav Mallwitz einen Mann zum Vorsitzenden, der bereits als Gründer und langjähriger Vorsitzender des Kieler Mietervereins sein großes Engagement und seine Kompetenz unter Beweis gestellt hatte.

Die Mieterbewegung in Schleswig-Holstein entwickelte sich im Vergleich zu anderen Regionen zunächst eher schleppend. So war es zunächst im wesentlichen der Kieler Mieterverein, der die Gründung anderer Ortsvereine in Rendsburg, Schleswig, Flensburg, Lübeck, Eckernförde, Nortorf und Neumünster initiierte. Ihm war die Einsetzung von Mieterräten zu verdanken. Durch sein Engagement wurde im Jahre 1919 die Höchstmietenverordnung ins Leben gerufen, die Mieter vor überhöhten Mietforderungen von Seiten der Hausbesitzer schützte. Vom Kieler Mieterverein ging die Initiative für die Gründung des Landesverbandes aus.

Die Verbandsgründung selber löste einen großen Motivationsschub aus; von Lübeck über Hamburg bis Bremen entstand eine kraftvolle Mieterorganisation, der sich in den folgenden Jahren weitere neu gegründete Ortsvereine anschlossen. So konnten auf der 2. Verbandstagung am 30. und 31.07.1921 in Altona bereits über 40 Vereine die Forderung unterstützen:

„Allein durch genossenschaftliche Gemeinwirtschaft im Wohnungswesen kann die Verheißung des § 155 der Reichsverfassung erfüllt werden. Vor aller Öffentlichkeit fordert der Verbandstag von Reichsregierung und Reichstag endlich energisches Handeln, statt unentschlossenen Geschehenlassens in der Wohnungsfrage.“ (Norddeutsche Mieterzeitung, 01.08.1921)

Die katastrophale Wohnungssituation nach dem 1. Weltkrieg erforderte seinerzeit überproportionale Anstrengungen im Neubau. Die seinerzeit erhobene Hauszinssteuer wurde in der Provinz Schleswig-Holstein nur ungefähr zur Hälfte für den Wohnungsneubau verwendet, was den Verband damals schon zu nachdrücklicher Kritik veranlaßte:

„Die Mieterbewegung steht im Zeichen des Wohnungsbaues. In fast allen großen Städten ist man an die Arbeit gegangen.“ Doch viel zu langsam wie man fand: „Die organisierte Mieterschaft hat es satt, auf die Maßnahmen des Reiches, des Landes (…) zu warten; sie handelt jetzt.“

So unterstützte der Verband damals schon alle Formen der Selbsthilfe, insbesondere auch die Formen genossenschaftlichen Siedlungs- und Wohnungsbaues. So auch die Aktivitäten des Kieler Mietervereins, der die „Bauspende“ ins Leben rief und hieraus – wenn auch in bescheidenem Umfang – selber Wohnungsbau betrieb. Aus diesen von vielen Mietervereinen ähnlich praktizierten Bewegungen sind viele Wohnungsbaugenossenschaften hervorgegangen.

Damals schon hatte sich die enge Verknüpfung zwischen dem Landesverband und dem Kieler Mieterverein bewährt. Die Geschäftsstelle in der Holstenstraße 102 war nicht nur die Zentrale des Kieler Mietervereins, vielmehr liefen dort auch die Fäden der gesamten norddeutschen Mieterbewegung zusammen.

Leider hat sich auch die Mieterorganisation in der Zeit des Nationalsozialismus gleichschalten lassen bis zu ihrem Verbot im Jahre 1944. Gut 5 Jahre sollte es dauern, bis der Verband wieder Aktivitäten entfaltete. Die erste vorliegende „Nachricht“ datiert aus Oktober 1949. In ihr setzt sich der Verband intensiv mit den von Adenauer geplanten Lockerungen in der Wohnungszwangswirtschaft auseinander.

Nur langsam gewinnt die Mieterorganisation wieder an Einfluss, wobei die Einführung des „Lücke-Planes“ der Organisation einen starken Zulauf bescherte. Kein Wunder: Auf rund 250 Tausend Wohnungen wurde der Fehlbestand in einer vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Vertriebene des Landes Schleswig-Holstein herausgegebenen Broschüre nur 3 Jahre zuvor nämlich im März 1957 geschätzt. Dementsprechend waren die Folgen des „Lücke-Planes“ für Schleswig-Holstein verheerend; 33 Tausend Ostvertriebene waren noch menschenunwürdig in Barackennotlagern untergebracht. Der damalige Ehrenvorsitzende des Verbandes Norddeutscher Mietervereine – Heinrich Eckhoff – bezeichnete die Vorgehensweise des Bundestages als ein „Verbrechen an der Menschheit“ und forderte „für Mieter die gleiche Wiedergutmachung, wie für die Vertriebenen und Verfolgten“ (Eckernförder Zeitung, 27.06.1963).

Die in der Folgezeit immer weiter voranschreitende Einführung „weißer Kreise“, in denen das rechnerische Wohnungsdefizit weniger als 3 % betragen sollte, machte ein erneutes Eingreifen des Staates nötig, um den schlimmsten Auswüchsen die Spitze zu nehmen. So wurde das Kündigungsschutzgesetz als Dauerrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, die Möglichkeit, örtliche Mietspiegel einzurichten, geschaffen und musste vieles von dem wieder „eingefangen“ werden, was der „Lücke-Plan“ frei hatte laufen lassen.

Mit der zunehmenden Professionalisierung in den örtlichen Vereinen und beim Landesverband wuchs die Zahl der im Bundesland Schleswig-Holstein vertretenen Mieterhaushalte wieder kontinuierlich an. Knapp 50 Tausend Haushalte vertrat die Organisation im Jahre 1997. Gleichzeitig nahm die Zahl der organisierten Mietervereine von ehedem gut 40 auf nur noch 9 im Jahre 1997 ab. Grund hierfür war gleichermaßen die zunehmende Professionalisierung und die Fusion kleinerer Vereine mit den größeren Vereinen in den kreisfreien Städten. Damit ging eine ständig verbesserte wohnungspolitische und Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes einher, die aus der schleswig-holsteinischen Politik kaum mehr wegzudenken ist.

Und wie geht es weiter? Auch in einer Zeit, in der Wohnungsmarkt leidlich entspannt ist, gilt es wachsam zu bleiben; heute wie Mitte der 80-ger Jahre wird mit dem Argument eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes die Wohnungsbauförderung überproportional heruntergefahren. Die Stimmen werden wieder laut, die da behaupten, mit sinkenden Mieten werde auch der Mieterschutz entbehrlich. Dabei gilt damals wie heute: Ein vorsichtiges Abbröckeln von Neuvermietungspreisen im Spitzensegment wird leichtfertig gleichgesetzt mit der Behauptung: „Die Mieten sinken!“. Ahnungslose Politiker greifen diese These ebenso gerne auf, wie organisierte Verbandsvertreter aus der Wohnungswirtschaft oder bei den Maklern.

Heute wie damals gilt daher: Die Mieterorganisation ist unverzichtbar. Auch und gerade in Zeiten, in denen die Zeichen eher auf Entspannung stehen. Wer die Neubautätigkeit heute mit den Bedarfsprognosen vergleicht, wird schnell zu der Feststellung gelangen, dass die nächste Wohnungsnot schon vorprogrammiert ist.