Mietervereine in Schleswig-Holstein: Beratungsstatistik 2012 – Mehr Mängel, mehr Kündigungen…
Kiel, den 28.02.2013
Mietervereine in Schleswig-Holstein: Beratungsstatistik 2012 – Mehr Mängel, mehr Kündigungen, weniger Mieterhöhungen
Alljährlich wertet die schleswig-holsteinische Mieterorganisation ihre Rechtsberatungsstatistik aus. Diese basiert auf systematischen Erhebungen in 8 der 24 Beratungsstellen schleswig-holsteinischer Mietervereine von Kaltenkirchen bis Husum. Gezählt werden die Beratungstermine zu verschiedenen Streitgegenständen. Dabei ergeben sich aus der Statistik für das Jahr 2012 einige handfeste Überraschungen.
Keine Überraschung, aber trotzdem bemerkenswert: Der Anteil der Beratungstermine, die sich um Mängel des Mietobjektes drehen, macht alleine fast 32 % der gesamten Beratungstätigkeit aus. Er ist mit Abstand der häufigste Grund, weswegen die Hilfe der Mietervereine in Anspruch genommen wird. Aber selbst vor diesem Hintergrund hat es von 2011 auf 2012 noch einen spürbaren Anstieg der Beratungstermine um 7 % gegeben. Die Mietervereine führen diesen Anstieg auf verschiedene Ursachen zurück. Eine dieser Ursachen dürfte die mangelhafte Instandhaltung großer Wohnungsbestände durch Finanzinvestoren sein. Die große Verkaufswelle öffentlich kontrollierter Wohnungsbestände liegt jetzt gut zehn Jahre zurück. Aus der Zeit nach dem „Neue-Heimat-Crash“ wissen die Mietervereine, dass gepflegte Wohnungsbestände durchaus längere Zeit ohne größere Instandsetzungsarbeiten funktionsfähig bleiben können. Nach mehr als zehn Jahren ist aber ein Punkt erreicht, bei dem der Instandsetzungsrückstau so weit aufgelaufen ist, dass die Folgen für die betroffenen Mieterhaushalte immer einschneidender werden. Dies treibt viele Haushalte dazu, ihre Instandsetzungsansprüche sehr viel energischer zu verfolgen als in der Vergangenheit.
Weitere Ursachen liegen im Energiekostenanstieg und in der Klimadebatte. Quer durch alle Medien werden Mieter aufgefordert, Energie einzusparen und sparsam zu heizen. Dies führt aber zwangsläufig dazu, dass ältere Wohnungsbestände, die dafür anfällig sind, vermehrt von Schimmelpilz befallen werden mit zusätzlichem Konfliktpotenzial. Gemeint sind Wohnungsbestände der Fünfziger und Sechziger Jahre, die ohne flankierende Maßnahmen des Wärmeschutzes mit neuen isolierverglasten Fenstern ausgestattet wurden. Bei diesen Wohnungsbeständen sind nicht mehr die Fensterscheiben die kältesten Bauteile, sondern benachbarte Außenwände, an denen dann die Kondensation zu erheblichen Schimmelpilzproblemen führt.
Den zweiten großen Posten in der Beratungsstatistik bilden die Auseinandersetzungen um kalte Betriebskosten. Sie waren im abgelaufenen Jahr deutlich rückläufig. Dieser Rückgang ist deswegen überraschend, weil der Anstieg bei den Betriebskosten unvermindert anhält. Beispiel Betriebskostenspiegel Kiel: Kostenanstieg um 8,4 % gegenüber 2010. Allerdings gibt es bei einigen großen Vermietern eine zunehmende Bereitschaft, strittige Betriebskostenforderungen lieber auszubuchen, als sich mit hohem Aufwand um Beträge bis ca. 200 € zu streiten und am Ende doch das Nachsehen zu haben.
An dritter Stelle stehen nach wie vor Auseinandersetzungen um Heizkosten. Beratungen hierzu waren gegenüber dem Vorjahr zwar geringfügig rückläufig – im Ergebnis bedeutet dies aber Stagnation auf höchstem Niveau. Während die Summe aller kalten Betriebskostenarten rund 22.300 Beratungstermine ausgelöst hat, haben es die Heizkostenabrechnungen alleine auf 19.700 Beratungen gebracht. Heiz- und Betriebskosten zusammengenommen toppen mit 42.000 Beratungen sogar noch den Beratungsschwerpunkt Mängel, der fast 38.400 Beratungen ausgelöst hat.
Alle reden über steigende Mieten; der Beratungsbedarf im Jahre 2012 wegen Mieterhöhungen nach dem Vergleichsmietenverfahren war jedoch um gut 21 % rückläufig, wenngleich die Entwicklung regional sehr unterschiedlich war. Dafür gibt es nach Auffassung der Mieterorganisation jedoch eine einfache Erklärung. Außerhalb der Ballungsräume spielt diese Form der Mieterhöhung ohnehin keine große Rolle. In Kiel, Lübeck, Neumünster und Norderstedt wird diese Form der Mieterhöhung üblicherweise mit den Mietspiegeln begründet. Diese werden jedoch nur alle zwei Jahre neu aufgelegt. Vor der Neuaufstellung von Mietspiegeln herrscht deswegen bei Bestandsmieten üblicherweise vorübergehend Ruhe. Neuvermietungspreise werden hiervon nicht berührt. Es gibt praktisch keine Kappungsgrenze. Der Anstieg von Neuvermietungspreisen ist jedoch der Motor für künftige Mieterhöhungen im Bestand.
Die rückläufige Entwicklung bei den Streitfällen um Schönheitsreparaturen führt die Mieterorganisation auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zurück. In der Mehrzahl bestehender Mietverhältnisse sind die Klauseln zu den Schönheitsreparaturen wegen Unangemessenheit unwirksam. Bei den Neuverträgen – mit angepassten Klauseln – spielen Fragen der Schönheitsreparaturen jedoch noch keine Rolle.
Der allmähliche Rückgang von Streitigkeiten um Kündigungen von Mieterhaushalten spiegelt nach Meinung der Mietervereine die verminderte Fluktuation wider. Selbst wenn Mieterhaushalte umziehen wollten – sie finden nur noch schwer eine neue Wohnung – viele verschieben ihre Umzugswünsche.
Mit großer Sorge betrachten die Mietervereine die starke Zunahme bei den Vermieterkündigungen. Ob Eigenbedarf, oder fristlose Kündigung, die beim Abschluss eines neuen Mietvertrages sehr einfach durchzusetzenden Mieterhöhungen sind ein starkes Motiv, dieses Interesse auch mit schwerem Geschütz zu verfolgen. Dies ist einer der Gründe, weswegen die Mietervereine nachdrücklich eine Kappung der Neuvermietungsmieten zum Beispiel bei 10 % über der Ortsüblichkeit fordern.
Mit einem Anteil von knapp 1,9 % rangieren Auseinandersetzungen um Modernisierungsmaßnahmen deutlich am unteren Ende der Beratungsskala. Dies ist auf drei Faktoren zurückzuführen: Finanzinvestoren engagieren sich im Bereich Modernisierung so gut wie gar nicht. Diejenigen, die auf diesem Feld überhaupt aktiv sind – vornehmlich Genossenschaften und die letzten kommunalen Unternehmen –, setzen gezielt auf Einvernehmlichkeit und schrauben das Konfliktpotenzial mit begrenzten Mieterhöhungen gezielt herunter. Und schließlich: Viele Modernisierungsmaßnahmen tauchen in der Statistik gar nicht erst als solche auf, weil sie als „Ersatzneubau“ abgewickelt werden. Anders ausgedrückt: Die alten Wohnungen werden abgerissen und an ihrer Stelle ein Neubau errichtet. Dieser Weg setzt aber eine Kündigung des Vermieters oder einvernehmliche Regelungen zwischen den Parteien voraus. Von Modernisierung ist gar nicht erst die Rede.
Nähere Auskünfte zu allen hiermit zusammenhängenden Fragen erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Deren Sprechzeiten und Aufnahmebedingungen können bei der Landesgeschäftsstelle des Mieterbundes Schleswig-Holstein, Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, Telefon 0431/97919-0 erfragt werden. Sie sind auch im Internet verfügbar unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel