Räumungsbeklagte Haushalte konstant auf hohem Niveau

Kiel, den  01.09.2011

Räumungsbeklagte Haushalte konstant auf hohem Niveau

Im 2-Jahres-Rhythmus untersucht der Landesmieterbund in den 10 größten Städten des Landes die Entwicklung der Räumungsklagen. Diese werden von den Amtsgerichten statistisch erfasst und den örtlichen Behörden zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit gemeldet.

Nach dem Spitzenwert des Jahres 2002 mit 2.180 beklagten Haushalten sank diese Zahl bis zum Jahre 2006 auf ein Minimum von nur noch 1.383. Danach stieg sie allerdings wieder steil an und verharrt seit 2008 bei ungefähr 1.850 Haushalten jährlich, die vor Gericht auf Räumung in Anspruch genommen werden.

Allerdings schwankt diese Zahl in den einzelnen Kommunen beträchtlich; so nahm Rendsburg bei den untersuchten Städten den Spitzenplatz mit 4,54 Räumungsklagen je 1.000 Einwohner ein und hat damit gegenüber 2008 noch deutlich zugelegt. Auf den Rängen 2 und 3 folgten Elmshorn mit 3,09 und Lübeck mit 2,25 beklagten Haushalten. Die Landeshauptstadt Kiel  lag mit 2,08 im Mittelfeld gefolgt von Neumünster (2,04) und Wedel (2,02). Den niedrigsten Wert hatte die Stadt Norderstedt zu verzeichnen mit 1,22 Räumungsklagen. Einzelheiten bitten wir der beigefügten Tabelle und der Grafik zu entnehmen.

Die Erhebung der Mieterorganisation untersucht auch, wie viele dieser Räumungsklagen tatsächlich zu einer Zwangsräumung geführt haben. Diese Zahl liegt bei den meisten Kommunen zwischen 20 % und 40 % der gemeldeten Räumungsklagen. Daran ist abzulesen, dass die frühzeitige Mitteilung eines Räumungsprozesses durch die Gerichte an die kommunalen Behörden ihren Zweck erfüllt. Viele Haushalte können durch das frühe Eingreifen der Kommunen vor einer Zwangsräumung bewahrt werden. Daraus lässt sich für betroffene Haushalte unmittelbar der Schluss ableiten, dass es sich lohnt, bei drohender Räumungsklage so schnell wie möglich behördliche Hilfe zu suchen, um die Klage nach Möglichkeit abzuwenden. Wenn dies nicht gelingt, sind mit kommunaler Hilfe die Chancen in jedem Falle besser, wenigstens die Zwangsräumung zu verhindern, die ganze Familien aus ihrem sozialen Netz reißen kann.

Die Zahl der tatsächlich durchgeführten Räumungen zeigt aber auch, dass der örtliche Wohnungsmarkt für die Unterbringung räumungsbedrohter Haushalte von großer Bedeutung ist. So sind in Rendsburg trotz der hohen Zahl räumungsbeklagter Haushalte nur in rund 38 % aller Fälle Zwangsräumungen durchgeführt worden. Ganz anders in Norderstedt: Dort gibt es zwar die niedrigste Zahl der Räumungsklagen, aber gleichzeitig die mit Abstand höchste Zahl von Zwangsräumungen. In 2009 wurden knapp 74 % und in 2010 exakt 67 % der Räumungsklagen durch Zwangsräumung vollstreckt. Diese Relation ist nach Auffassung der Mieterorganisation zugleich ein Spiegel des örtlichen Wohnungsmarktes. In Norderstedt lässt sich jede geräumte Wohnung im Handumdrehen – in der Regel auch zu höherem Mietzins – weitervermieten. Nicht so in Rendsburg: Vor dem Hintergrund eines hohen Leerstandes kann es für viele Vermieter attraktiv sein, einen Räumungstitel nicht zu vollstrecken, z.B. wenn die Kommune die weiteren Mietzahlungen übernimmt. Im Ergebnis bedeutet dies für den Vermieter, dass er eine leer stehende Wohnung weniger am Halse hat.

Die Mieterorganisation leitet aus diesen Zahlen einen anhaltend hohen Bedarf an preiswerten Wohnungen ab. Ursächlich hierfür ist unter anderem die Tatsache, dass die Zahl öffentlich geförderter, preiswerter Wohnungen immer noch rapide abnimmt. Im Innenministerium wird nach dem irrigen Glaubenssatz verfahren, dass der Abschmelzprozess bei den geförderten Wohnungen nur zum Teil kompensiert werden muss. Minister Schlie lobt sich für eine Vier-Viertel-Lösung. Er hält den Ersatz entfallender Sozialbindungen wie folgt für richtig: Ein Viertel Ersatz im Rahmen der Neubauförderung, ein Viertel Ersatz im Rahmen der Modernisierungsförderung und ein Viertel Ersatz über Kooperationen beziehungsweise Vereinbarungen ohne Landesförderung zwischen Vermietern und Kommunen. Das letzte Viertel – so Schlie – müsse nicht ersetzt werden, solange eine relativ entspannte Wohnungsmarktlage herrsche und die Versorgung im nennenswerten Umfang im nicht preisgebundenen Bestand möglich ist. Zu den durch Kooperationsvereinbarungen bereitgestellten Wohnungen konnte das Innenministerium im Rahmen einer wohnungspolitischen Fachveranstaltung im Juni keine Angaben machen. Deswegen geht die Mieterorganisation davon aus, dass tatsächlich nur rund die Hälfte der entfallenden Bindungen ersetzt wird.

Auf die Folgen der unzulänglichen Förderung von preiswerten Wohnungen weist die Mieterorganisation schon seit langem hin. Sie fordert, dass der geförderte Bestand in Schleswig-Holstein sukzessive wieder auf 120.000 preiswerte Wohnungen aufgestockt wird. Diese Wohnungen werden vorrangig im hamburgischen Umland, in Kiel, Lübeck und Flensburg benötigt. Ein größerer Bestand an preiswerten Wohnungen dämpft das Mietenniveau, wirkt sozialer Segregation entgegen, verhindert Zahlungsrückstände, Räumungsklagen und Zwangsräumungen.

Nähere Auskünfte zu allen hiermit zusammenhängenden Fragen erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Deren Sprechzeiten und Aufnahmebedingungen können bei der Landesgeschäftsstelle des Mieterbundes Schleswig-Holstein, Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, Telefon 0431/97919-0 erfragt werden. Sie sind auch im Internet verfügbar unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de.

 

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

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