Sozialer Wohnungsbau in Schleswig-Holstein Überproportionaler Anstieg auslaufender Bindungen im Jahre 1999 Fördervolumen bleibt weit hinter den Verlusten zurück

Kiel, den 02.03.1999

Sozialer Wohnungsbau in Schleswig-Holstein
Überproportionaler Anstieg auslaufender Bindungen im Jahre 1999
Fördervolumen bleibt weit hinter den Verlusten zurück

Für den sozialen Wohnungsbau in Schleswig-Holstein ist das Jahr 1999 ein schwarzes Jahr; der vom Mieterbund Schleswig-Holstein und seinen angeschlossenen Vereinen seit Jahren angeprangerte Abschmelzprozeß im Sozialwohnungsbestand erreicht in diesem Jahr einen vorläufigen Höhepunkt. Nach Erhebungen der Investitionsbank verlieren 1999 voraussichtlich 6.790 Sozialwohnungen ihre Preis- und Belegungsbindungen.

Dabei handelt es sich ganz überwiegend um ältere Sozialwohnungsbestände, deren Mieten ausgesprochen preiswert sind – nicht zu verwechseln mit den Sozialwohnungsbeständen aus den 70er Jahren, die mit Aufwendungsdarlehen gefördert wurden und in ihrem Mietgefüge teilweise über dem ortsüblichen Vergleichsmietengefüge liegen. Damit vermindert sich der derzeitige Sozialwohnungsbestand von ca. 82.000 Wohnungen des 1. Förderweges um über 8 % alleine in diesem Jahr. Auch in den Folgejahren werden jährlich zwischen 3.000 und 5.000 Wohnungen aus den Bindungen fallen mit dem nächsten Höhepunkt im Jahre 2003, wenn voraussichtlich fast 7.800 weitere Wohnungen die Bindungen verlieren. Zwar wird die Haus- und Grundeigentümerorganisation nicht müde darauf hinzuweisen, daß diese Wohnungen nicht aus dem Markt genommen werden, was allerdings auch niemand behauptet, dennoch ist der Verlust von Preis- und Belegungsbindungen im preiswerten Segment deswegen besonders nachteilig, weil gerade diese Wohnungen es sind, bei denen sich große Mieterhöhungsspielräume nach Auslauf der Bindungen eröffnen. Dies spiegelt sich wider in den überproportionalen Steigerungen, die das Statistische Landesamt für ältere Wohnungen meldet, ebenso wie in den überproportionalen Steigerungen im älteren Wohnungsbestand der schleswig-holsteinischen Mietspiegel. Überdies besteht im Bereich der preiswerten Wohnungen immer noch eine erhöhte Nachfrage.

Während auf der einen Seite die Entspannungstendenzen auf dem Wohnungsmarkt durch überproportionale Verluste an Preis- und Belegungsbindungen gedämpft werden, fallen die Zuwächse an neuen Preis- und Belegungsbindungen nur dürftig aus. Das Land fördert nicht annähernd in dem Umfang neue Wohnungen, wie sie verlorengehen. Das Wohnungsbauprogramm 1999 / 2000 sieht (für 2 Jahre!) die Förderung von bis zu 4.280 Miet- und Genossenschaftswohnungen sowie bis zu 2.500 Eigentumsmaßnahmen vor. Rein rechnerisch könnten also 1999 2.140 Sozialwohnungen neu bewilligt werden, was nicht einmal einem Drittel der Bindungsverluste entspricht.

Bei alledem ist Schleswig-Holstein mit Sozialwohnungen ohnehin nicht gesegnet; während bundesweit von ca. 22 Millionen Wohnungen noch knapp 2 Millionen Wohnungen preis- und belegungsgebunden sind, entsprechend einem Anteil von ca. 9 %, sind von den 1,2 Millionen Wohnungen in Schleswig-Holstein nur noch gut 90.000 Wohnungen gebunden, entsprechend einem Anteil von nur zwischen 7,5 und 8 %.

Vor diesem Hintergrund fordert der Mieterbund Schleswig-Holstein die Landesregierung auf, die für die Wohnungsbauförderung vorgesehenen Mittel aufzustocken und den Sozialwohnungsbestand mindestens auf dem Niveau zu erhalten, auf dem er sich zur Zeit befindet. Das schleswig-holsteinische Bauministerium hatte die eingeschränkte Wohnungsbauförderung unlängst damit begründet, daß ja in der Vergangenheit vergleichsweise viele Wohnungen gefördert worden seien. Dieses Argument läßt die Landesmieterorganisation jedoch nicht gelten; Ministerin Birk hat mehrfach betont, daß auch sie eine antizyklische Wohnungsbauförderung für gut, richtig und wichtig halte. Tatsächlich wirkt sich die weiter eingeschränkte Wohnungsbauförderung aber prozyklisch aus, so daß die nächsten steilen Ausschläge zwischen Mangel und Entspannung ohne weiteres vorhersehbar sind. Die Baugenehmigungen im Geschoßwohnungsbau befinden sich seit Monaten auf einer extremen Talfahrt und es ist nur eine Frage der Zeit, daß wieder eine Mangelsituation eintritt. Allein die Tatsache, daß die kreisfreien Städte in teilweise erheblichem Umfang Einwohner an das Umland verloren haben, überdeckt zur Zeit die Negativentwicklung. Am Beispiel Kiel läßt sich dies deutlich machen:

Zwischen 1993 und 1997 (jeweils 31.12.) hat die Stadt 8.415 Einwohner verloren, die rund 4.200 Wohnungen freigemacht haben. Im gleichen Zeitraum hat sich der Wohnungsbestand um 4.135 Einheiten erhöht, so daß insgesamt weit über 8.000 Wohnungen zusätzlich zur Verfügung standen, ohne daß es zu nennenswerten Leerständen gekommen wäre.

Im hamburgischen Umland wiederum verzeichnen die Städte Einwohnergewinne, da die Einwohnerbilanz von Schleswig-Holstein immer noch deutlich positiv ist. Von daher bedarf es einer stetigen dauerhaften Wohnungsbauförderung insbesondere im sozialen Wohnungsbau, sodaß der Landesmieterbund bezogen auf das Wohnungsbauprogramm 1999 / 2000 mit Nachdruck eine Nachbesserung einfordert.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

 

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