Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein: Mieten ziehen wieder an
Kiel, den 08.05.2002
Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein:
Mieten ziehen wieder an
Mit Sorge beobachten der Mieterbund Schleswig-Holstein und die ihm angeschlossenen Mietervereine die Mietenentwicklung der letzten Monate; seit Mitte 1997 waren die Mietsteigerungsraten kontinuierlich rückläufig und haben sich unterhalb einer Marke von 1 Prozent jährlich eingependelt. Dies galt sowohl für Altbauwohnungen, wie auch für neu gebaute frei finanzierte und öffentlich geförderte Wohnungen.
Die Datenbasis dafür liefert das Statistische Landesamt mit sogenannten „Messzahlen“, die die jeweilige Entwicklung kontinuierlich widerspiegeln. Dabei zeichnet sich allerdings seit Mitte des Jahres 2001 ein deutlicher Anstieg bei den Mieten der Altbauwohnungen ab, deren Steigerungsrate die 2-Prozent-Marke übersprungen hat. Auch die frei finanzierten Neubauwohnungen haben eine Mietsteigerungsrate von 1 Prozent erreicht, während sich Veränderungen bei den öffentlich geförderten Wohnungen nicht abzeichnen. Als ursächlich für diese Entwicklung sieht der Landesmieterbund den dramatischen Einbruch bei den Baugenehmigungszahlen an; infolge dessen verzeichnet die Wohnungswirtschaft einen kontinuierlichen Abbau der Wohnungsleerstände, so dass sich das Wohnungsangebot in absehbarer Zeit wieder deutlich verknappen wird. Ähnlich sieht dies auch das Innenministerium; es ist noch keine zwei Monate her, da verkündete Innenminister Buß in einer Pressemitteilung, dass er neue Wohnungsengpässe nicht ausschließen könne. Diese Einschätzung deckt sich mit den Erfahrungen der örtlichen Mietervereine, die eine zunehmende Beratungsnachfrage bei Mieterhöhungen melden. Typischerweise sind es zuerst die einfacheren Wohnungen am Wohnungsmarkt, die Preissteigerungen zu spüren bekommen, weil bei diesen Wohnungen die Fluktuationsrate höher ist und sich die Mieten näher bei den Neuvermietungspreisen einpendeln.
In diesem Zusammenhang widerspricht der Landesmieterbund vehement der unlängst von Staatssekretär Lorenz vorgetragenen Behauptung, die Wohnungsmieten außerhalb des Sozialwohnungsbestandes seien zwischen 1997 und 2000 um 5,4 Prozent gesunken; die Mieterorganisation hat diese Zahl recherchiert und kann sie mit Zahlenmaterial des Landes nachhaltig erschüttern; auf Nachfrage der Mieterorganisation hat das Innenministerium als Quelle das Grundlagengutachten zur Ermittlung der Vergleichsmieten frei finanzierter Wohnungen in Schleswig-Holstein aus Marz 2001 genannt. Dieses Gutachten diente jedoch dem Zweck, das Vergleichsmietengefüge für die Ermittlung des Subventionsvorteils öffentlich geförderter Wohnungen zu bestimmen. Und in der Tat heißt es auf Seite 19 des Gutachtens: „Gegenüber der Erhebung 1997 sind die Vergleichsmieten im frei finanzierten Mietwohnungsbestand in den 181 untersuchten Städten und Gemeinden in Schleswig-Holsteins um 5,4 Prozent…gesunken“. Schon hieraus wird deutlich, dass Staatssekretär Lorenz sehr freizügig zitiert hat. Zum Hintergrund ist es gut zu wissen, dass die nämliche Erhebung auf reine Telefon-Interviews beruht und schon nach ihrer Definition selektiv und gerade nicht repräsentativ angelegt ist. Nach Meinung des Landesmieterbundes hat es partielle Mietsenkungen allenfalls im Bereich von Neuvermietungen sehr großer und gut ausgestatteter Wohnungen gegeben. Das Mietgefüge insgesamt ist jedoch auch zu Zeiten partieller Wohnungsleerstände angestiegen. Dies deckt sich mit Erfahrungen aus den Mietspiegel-Erhebungen und wird durch die Statistik des Landes unterstützt; danach sind Altbauwohnungen mit mittlerem Wohnwert und einer Größe bis 70 Quadratmeter zwischen Juli 1997 und Juli 2000 um 105 Punkte entsprechend 8,7 Prozent gestiegen. Vergleichbare Neubauwohnungen haben es in den drei Jahren immer noch auf eine Steigerung von 2 Prozent gebracht. Beide Werte sind weit entfernt von der Angabe des Innenministeriums.
Wegen der extrem niedrigen Baugenehmigungszahlen rechnet der Landesmieterbund mit weiter anziehenden Mieten und in absehbarer Zeit auch wieder mit Schlagen vor den Wohnungsämtern. Spätestens dann wird die Landeshauptstadt Kiel die Folgen der KWG-Veräußerung zu spüren bekommen und Probleme haben, finanzschwache Haushalte zu angemessenen Preis unterzubringen. Mietern, die einen Wohnungswechsel planen, rät die Mieterorganisation, diese Absicht möglichst schnell umzusetzen, bevor sich der Wohnungsmarkt weiter verengt. An die Politik richten die Mietervereine die Aufforderung, die Wohnungsbauförderung so umzustellen, dass wieder mehr Mietwohnungen in den Ballungsräumen gefördert werden, um dem Einwohnerverlust der Städte entgegen zu wirken und die Zersiedelung der Landschaft zu unterbinden. Vor allem sei es jedoch erforderlich, die Bautätigkeit in Schwung zu bringen, da das Wiederhochfahren der Bautätigkeit ein länger währender Prozess ist; so müssen den neu fertig zu stellenden Wohnungen langwierige Planungsaktivitäten vorausgehen und muss die Bauwirtschaft ihre Kapazitäten langsam wieder aufbauen. Mit einem spürbaren Anstieg der Fertigstellung von Neubauwohnungen rechnet der Landesmieterbund daher frühestens im Jahre 2005. Zu diesem Zeitpunkt steckt Schleswig-Holstein nach Meinung des Mieterbundes schon wieder mitten in den von Innenminister Buß befürchteten Wohnungsengpässen.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel