Landgericht Kiel kippt Quotenhaftungsklausel von Haus und Grund Tausende Mietverträge in Schleswig-Holstein betroffen
Kiel, den 04.05.2006
Landgericht Kiel kippt Quotenhaftungsklausel von Haus und Grund
Tausende Mietverträge in Schleswig-Holstein betroffen
In den meisten Formularmietverträgen ist vorgesehen, dass die Schönheitsreparaturen vom Mieter durchzuführen sind. Dieses Praxis ist weitgehend akzeptiert. Seit einiger Zeit finden aber auch so genannte „Quotenhaftungsklauseln“ Eingang in Mietvertragsformulare. Weit verbreitet ist eine Klausel von Haus und Grund Schleswig-Holstein,
die vorsieht, dass der Mieter dem Vermieter einen Kostenersatz zahlen soll für diejenigen Schönheitsreparaturen, die seit der letzten Renovierung „verbraucht“ worden sind. Die Höhe dieser Kosten soll sich nach dem Kostenvoranschlag eines Fachbetriebes des Malerhandwerks richten. Es liegt auf der Hand, dass sich auf Basis derartiger Kostenvoranschläge schnell hohe Summen aufaddieren, wenn z.B. die Fristen fast abgelaufen sind. Dem hat das Landgericht Kiel mit Urteil vom 27.04.2006 unter dem Aktenzeichen 1 S 263/05 jetzt einen Riegel vorgeschoben. Die Kammer geht mit der beanstandeten Klausel hart ins Gericht: „Die Klausel ist in ihrer Ausgestaltung unklar, benachteiligt den Mieter unangemessen und ist daher … unwirksam“ so das Landgericht Kiel. Es hat dabei seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben.
Im Einzelnen weist das Gericht daraufhin, dass die Frage der Schönheitsreparaturen bei den Vertragsverhandlungen üblicherweise keine Rolle spielt, obwohl derartige Klauseln im Ergebnis zu einem höheren Mietpreis führen. Das Gericht kritisiert ferner, dass auch die Anbindung an die Kosten von Fachbetrieben fragwürdig ist, weil viele Mieter ihre Wohnung üblicherweise selber renovieren und daher mit so hohen Kosten gar nicht rechnen. Ausdrücklich thematisiert das Gericht auch die Tatsache, dass ein Vermieter der eine Wohnung nicht renoviert umso mehr verdient je häufiger ein Mieterwechsel stattfindet. „Denn mit jedem Mieter, der in die unrenovierte Wohnung einzieht, beginnen die Renovierungsfristen neu zu laufen, so dass der Vermieter bei jedem Auszug vor Ablauf der Fristen erneut eine Kostenbeteiligung für eine Renovierung verlangen kann, die er tatsächlich nicht durchführt.“
Das Gericht berücksichtigt einen weiteren Aspekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt: Es hält die Fristen binnen derer Schönheitsreparaturen durchzuführen sind für zu kurz und überholt. Sie entsprechen denen des Mustermietvertrages von 1976. Damals war die Qualität von Dekorationsmaterialien – Tapeten und Farben – bei weitem nicht so gut wie sie heute üblich ist. Es gab viele Wohnungen mit Kohleöfen und Kochstellen, die erhebliche Emissionen ausstießen und deswegen Renovierungsarbeiten schneller nötig machten als heute. Hinzu kommt, dass zu jener Zeit die Wohnungen mit mehr Personen belegt waren und auch deshalb einer höheren Abnutzung unterlagen. Die zwanzigseitige Begründung des Landgerichtes stellt schließlich auch auf die Tatsache ab, dass die Kostenermittlung für einen Erstattungsanspruch aufgrund der Quotenhaftungsklausel völlig intransparent ist.
Mit dieser Entscheidung sind wortgleiche und viele ähnliche Klauseln zunächst einmal Makulatur. Die Schleswig-Holsteinischen Mietervereine raten allen Mietern die auf Basis einer derartigen Klausel zur Zahlung herangezogen werden sollen, sich über die Wirksamkeit ihrer individuellen Klausel beraten zu lassen. Es geht um viel Geld. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, weil das Landgericht die Revision zugelassen hat und möglicherweise mit einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofes in dieser Sache zu rechnen ist. Trotzdem begrüßen die Mietervereine das Urteil als Etappensieg gegen unausgewogene Mietvertragsformulare. Landesgeschäftsführer Jochen Kiersch: „Es gibt in diesem Land Vertragsformulare, bei denen Mieterrechte bis an die Grenze der Unanständigkeit verbogen werden“. Vermietern, die wegen dieses Urteils unsicher geworden sind, empfiehlt der Mieterbund ein genaues Studium der Vertragsformulare, die sie ihren Mietern vorlegen wollen. Es zahlt sich nicht aus Formulare zu benutzen, deren Klauseln haarscharf an die Grenze der Unzulässigkeit heranrücken, wie das jetzige Urteil zeigt.
Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel