Starke Stücke – Was Vermieter sich alles erlauben
Kiel, den 01.02.2007
Starke Stücke – Was Vermieter sich alles erlauben
Rund ein Drittel aller Beratungsfälle bei den Mietervereinen dreht sich um Mängel der Mietwohnung – im Winterhalbjahr vorrangig um Feuchtigkeit, Schimmelpilz und Zugluft. Ein weiteres Drittel steht im Zusammenhang mit Heiz- und Betriebskostenabrechnungen. Das letzte Drittel deckt ein unerhört breites Spektrum aller denkbaren Einzelfälle ab
– angefangen bei der Überprüfung von neu abzuschließenden Mietverträgen über Hartz-IV-Fragestellungen, Nachbarschaftsstreit, Tierhaltung, Schönheitsreparaturen, Untervermietung, Maklercourtage und vieles andere mehr. Dabei finden sich auch regelmäßig Streitfälle, die höchst spektakulär sind und ein Schlaglicht auf unsaubere Vermieterpraktiken liefern. Hier ein Auszug mit nicht alltäglichen Fällen:
Gefälschte Kleinreparaturrechnung: Ein Vermieter aus Lübeck verlangte von seiner Mieterin unter Berufung auf die Kleinreparaturklausel des Mietvertrages Bezahlung einer Rechnung für den Austausch eines Heizthermostatventils in Höhe von 69,72 €. Was die Mieterin nicht wusste: In Wahrheit war die Reparatur mit 168,43 € viel teurer und hätte vom Vermieter in voller Höhe bezahlt werden müssen. Dieser hatte aber die Sanitärfirma gebeten, die Rechnung aufzusplitten. Unzulässig! Reparaturen, die die Grenze der Kleinreparaturklausel überschreiten, müssen in voller Höhe vom Vermieter bezahlt werden. Die Kleinreparaturklausel ist kein Selbstbehalt. Der Täuschungsversuch des Vermieters scheiterte, weil eine aufmerksame Hausverwaltung die Mieterin auf das Vorliegen zweier Rechnungen aufmerksam gemacht hatte.
Fristsetzung nur zum Schein: „Ich fordere Sie auf, die in diesem Bericht genannten Arbeiten bis zum Freitag, den 04.11.2005, auszuführen. Nach diesem Termin lehne ich die Ausführung der Arbeiten durch Sie ab und mache Schadensersatz geltend…“ So die Fristsetzung eines besonders geschäftstüchtigen Kieler Vermieters im originalen Wortlaut. Vermieter K. war jedoch ein „alter Bekannter“ des Mietervereins. Bei einer Überprüfung an Ort und Stelle kam heraus, dass der Vermieter schon weit vor Fristablauf den größten Teil der Wohnung renoviert hatte und es gar nicht abwarten konnte, endlich Kasse zu machen. Dumm gelaufen!
Betreuungsleistung gestrichen: Frau F. aus Kiel war richtig froh, eine betreute Wohnung mit Hausnotrufsystem und Betreuung gefunden zu haben. Ihre Freude hat allerdings einen herben Dämpfer erlitten: Sie erhielt ein Schriftstück Ihrer Verwaltungsgesellschaft mit folgendem Inhalt: „Wie Ihnen bekannt ist, wurden das Hausnotrufsystem und das Duschen/Baden mit Hilfe durch die … Betreuungskraft aus den Grundleistungen des …herausgenommen…“. Ihr wurde bedeutet, dass sie diese Leistungen zukünftig getrennt zu bezahlen habe. Unwirksam! Laut Vertrag sind Mietvertrag und Betreuungsvertrag derart aufeinander abgestimmt, dass nur durch den Bestand beider Vertragsteile der Zweck der Einrichtung gewährleistet ist. Die einseitige Aufkündigung einzelner Vertragsbestandteile entfaltet keine Wirkung.
Kaution als billiges Darlehen: Frau R. wollte auf Nummer Sicher gehen: Sie ließ den Mieterverein bei ihrem Vermieter um einen Nachweis dafür bitten, dass die Kaution vom Vermögen des Vermieters getrennt auf einem Sparbuch angelegt ist. Die Reaktion erfolgte prompt: Der Vermieter entschuldigte sich vielmals – die Anlage sei bislang versäumt worden, er werde dies umgehend nachholen. Wenige Tage später kam die Fotokopie eines Sparbuches mit dem eingezahlten Betrag. So weit so gut. Nach Jahresfrist fragte Frau R. erneut nach, wie es um die Kaution bestellt sei. Und siehe da: Vermieter W. hatte die Kaution inzwischen abgeräumt, bot aber an, sie erneut auf ein Sparbuch zu legen. Damit biss er bei Frau R. aber auf Granit; sie hat die Kaution gegen die Miete aufgerechnet und selber so angelegt, dass der Vermieter sich nicht noch einmal selbst bedienen kann.
Teures Wasser: Aber auch bei Großvermietern ist man vor Überraschungen nicht sicher: 11,16 € je Kubikmeter Frischwasser und weitere 10,85 € je Kubikmeter Abwasser stellt die Deutsche Annington Herrn H. aus Kiel in Rechnung. Selbst unter Einrechnung des Grundpreises und eines anteiligen Wasserverbrauches für Gartenpflege o.ä. ist dieser Preis nicht denkbar und dürfte um ca. 450 Prozent überhöht sein. Herr H. wird nicht zahlen.
Doppelt hält besser: Und auch Frau P. – ebenfalls Annington-Mieterin – wird die Nachzahlung aus ihrer Betriebskostenabrechnung nicht bezahlen. Ihr genügte ein Blick in die Abrechnung um festzustellen, dass diese falsch ist. Die Gebühren für das Kabelfernsehen tauchen in ihrer Abrechnung gleich zweimal auf – pikanterweise mit unterschiedlichen Beträgen. Und bei Betriebskostenabrechnungen gilt immer: Eine falsch, gleich alle falsch. Dies ist auch der Grund, weswegen die Mieterorganisation nicht müde wird darauf hinzuweisen, dass rund die Hälfte aller Heiz- und Betriebskostenabrechnungen mehr oder weniger schwere Fehler enthält.
Die Liste der Absonderlichkeiten ließe sich beliebig fortsetzen. Dies würde allerdings die Möglichkeiten einer Pressemitteilung sprengen.
Die schleswig-holsteinischen Mietervereine raten daher dringend, Vermieterforderungen aller Art kritisch zu hinterfragen. Dies gilt ganz besonders für Schleswig-Holstein. Hierzulande sind praktisch alle großen Wohnungsbaugesellschaften an Finanzinvestoren verkauft worden, deren Geschäftspraktiken sich zunehmend negativ von denen der Alteigentümer absetzen.
Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel